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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen
Autoren: T.C. Boyle
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bebte im Matsch. Ich schaltete in den Leerlauf und starrte eine ganze Weile auf das mir nächste Schild. Seine Aussage war klar, ja völlig unmissverständlich. BETRETEN VERBOTEN, stand darauf.
    In diesem Moment bemerkte ich hinter dem hölzernen Lattenzaun zu meiner Linken eine Gestalt, die mich beobachtete. Ein Farmer, nahm ich an. In schmutziger Latzhose und verschmierten Stiefeln. Er stand bis zu den Knöcheln im Mist des Schweinepferchs - genau mittendrin -, und um ihn herum wühlten die Tiere und verströmten einen der unangenehmsten, beißendsten Gerüche, die mir je untergekommen waren. Ich beobachtete ihn einen Augenblick, während er mich beobachtete - er grinste jetzt, und etwas Sarkastisches, Abschätziges trat in seinen Blick -, dann hob ich die Stimme, um den Motor und das Grunzen der Tiere zu übertönen. »Ich wollte fragen, ob -« setzte ich an, doch er schnitt mir mit einem kurzen, scharfen Lachen das Wort ab.
    »Oh, fahren Sie ruhig«, sagte er, »das ist ihm völlig schnuppe. Die sind nur für die Touristen da.« Er bedachte mich mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Sie sind doch kein Tourist, oder?« Ich schüttelte verneinend den Kopf, dankte ihm mit einer leichten Verbeugung und schaltete in den niedrigsten Gang, um den Hügel hinaufzufahren, der leider immer steiler wurde, je näher die Kalksteinmauern, Terrassen und flachen Walmdächer des Hauses rückten.
    Doch jetzt hatte ich Schotter unter den Rädern, und in den fraß sich der großartige Bearcat mit kreischendem Motor und malmenden Rädern hinein wie ein mythisches Tier, das mit den Flügeln schlägt und Feuer speit. Hinauf ging es, hinauf, hinauf - bis der Schotter plötzlich tiefer, zu einer Art steinernem Schlamm wurde und die Räder zauderten, ehe sie unter heftigem Auswurf von Splitt wieder griffen, und als ich daran dachte, auf die Bremse zu treten, hatte der Wagen auch schon den Kamm des Hügels erklommen und wäre fast mit der Schnauze an die hintere Stoßstange des dort oben geparkten Wagens gestoßen. Ich glühte vor Erregung, zitterte nach dieser Strapaze vor Anspannung und Freude. Was spielte es schon für eine Rolle, dass ich versehentlich die hintere Zufahrt genommen hatte, über die sonst nur der Traktor und die Zugpferde kamen? Was spielte es für eine Rolle, dass ich um ein Haar in die Stoßstange von Wrieto-Sans Cord Phaeton geknallt wäre, des schnellsten und majestätischsten Automobils, das je gebaut worden war? Ich war da. Ich war angekommen.
    Meine ersten Eindrücke? Frieden, Schönheit allenthalben, eine altmodische Anmut und Eleganz der Linienführung. Doch da war noch mehr: eine tiefsitzende Spiritualität, die aus der Erde selbst zu kommen schien, als sei dies ein heiliger Ort, ein Schrein, an dem sich einst die Ureinwohner zum religiösen Kult versammelt hatten, in einer Zeit lange bevor Wrieto-Sans Vorfahren, die Lloyd-Joneses, aus Wales gekommen waren, einer Zeit vor Kolumbus, einer Zeit, als Edo noch von der Welt abgeschnitten gewesen war. Ich fühlte mich, als hätte ich einen der Tempel von Kioto betreten - Nanzenji oder eher noch Kinkakuji, dessen Blattgold das Licht in sich bewahrt. All meine Ängste lösten sich in Luft auf. Ich wurde mit einem Schlag ruhig, ganz ruhig.
    Es war vier Uhr nachmittags. Die Sonne hing über den Baumwipfeln wie ein Glücksbringer an einer unsichtbaren Schnur. Ich stellte den Motor ab, und alle Vögel dieser Welt begannen zu singen. Die Abgase verflüchtigten sich fast unmittelbar, und ich spürte die Milde und Reinheit der Luft. Sie war von dem Duft nach Klee und Kiefern, nach dem Chlorophyll frisch gemähten Grases und einem Hauch von Holzfeuer erfüllt - und von dem Geruch nach Essen, nach Gekochtem, der mich daran erinnerte, dass ich seit jenem unglücksseligen Hamburger nichts mehr gegessen hatte. Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um tief durchzuatmen, erwog, mir eine Zigarette anzuzünden, entschied mich dann jedoch dagegen. Taliesin erwartete mich.
    Ich stieg gerade aus und streifte mir die (schweißgetränkten) Handschuhe ab, um danach meinen verknoteten Schal zu lösen, da tauchte aus einer der Garagen im Hof gleich hinter der funkelnden Motorhaube des Cord eine Gestalt auf. Es dauerte einen Moment - ich sah im Nahbereich, also im Bereich des Zeichentischs, weit besser als in die Ferne -, ehe ich mit nun wieder hämmerndem Puls begriff, dass ich mich in der Gegenwart des Meisters höchstpersönlich befand.
    Ich verbeugte mich. Tief. So tief, wie ich mich nur
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