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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley
Autoren: Monica McInerney
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besser, denn ihr blieben nur noch acht Minuten, bis sie Margarets Bridge-Aktivitäten weichen musste. Wenn sie Lukes Anweisungen richtig befolgt hatte, sollten die nächsten Interessenten, die um Informationen baten, automatisch folgende E-Mail erhalten:
    H erzlichen G lückwunsch !
    Sie sind der glückliche Gewinner der Weihnachtsaktion des Valley View Motels! Drei Übernachtungen inklusive Frühstück und ein feudales Weihnachtsmenü – und das alles gratis! Wenn Sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden mit Ihren persönlichen Angaben auf diese E-Mail reagieren, werde ich mich umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen.
    Damit es noch echter wirkte, setzte Lola ihre – natürlich eigenhändig eingescannte – Unterschrift und ihre Handynummer darunter. Dann klickte sie auf »Senden«, lehnte sich zurück und lächelte. Sie hatte den Köder ausgeworfen. Jetzt hieß es nur noch abzuwarten.

Kapitel 2
    Gast 1
    Neil wusste nicht einmal, wo genau das Clare Valley war. Es hatte was mit Wein zu tun. Lag irgendwo in South Australia. Mehr wusste er nicht, interessierte ihn auch nicht. Er war zufällig auf die Region und auf das Motel gestoßen. Er war da einfach hängen geblieben, als er sich durch eine Webseite für Last-Minute-Unterkünfte gescrollt hatte. Ihm war alles egal, der Blick, die Anzahl der Sterne, ob das Motel Swimmingpool hatte oder man auf dem Zimmer essen konnte. Ihm war nur wichtig, dass er Weihnachten an einem möglichst fernen Ort war. Nicht nur fern von Broken Hill, sondern fern von seinem Leben, jedem einzelnen Baustein seines beschissenen, vergeudeten, nutzlosen Lebens. Dass das endlich hinter ihm lag. Endgültig. Er schickte eine Anfrage ab und wollte den Rechner gerade ausschalten, da kam bereits die Antwort. Die Betreff-Zeile lautete: H erzlichen G lückwunsch ! Es war lange her, dass ihm jemand gratuliert hatte. Stirnrunzelnd klickte er auf die E-Mail.
    Gäste 2 und 3
    Als die Haustür geöffnet wurde, klickte Helen schnell auf das »Schließen«-Symbol – und das nicht nur einmal –, bis eine harmlose Shopping-Seite auf dem Monitor erschien. Sie drehte sich um und sah ihrem Mann mit unschuldigem Lächeln entgegen. Es wurde nicht erwidert. In letzter Zeit sah sie ihn kaum lächeln.
    »Wie war es bei der Arbeit, Schatz?«
    »Prima, danke. Irgendwelche Post?«
    Helen würde ihren fröhlichen Tonfall beibehalten. Und wenn es sie umbrachte, ihre Stimme würde nicht verraten, wie sehr sie unter seiner Zurückgezogenheit und seinen Depressionen litt. Sie müsse Geduld beweisen, hatte der Arzt gesagt. Halt bieten. Für ein ruhiges Heim sorgen. Das sei die ganz normale Reaktion auf ein traumatisches Ereignis. Der Schock würde sich irgendwann legen, die seelischen Wunden jedoch bräuchten Zeit zur Heilung. »Sie lieben Ihren Mann doch, oder?«
    Damals hatte sie ohne Zögern genickt. Aber wenn man sie heute fragen würde? Liebte sie Tony wirklich noch, oder empfand sie nur noch Mitleid, Verzweiflung gar? Sie musste es trotzdem versuchen. Und wenn sie noch so erschöpft war, sie würde die Enthusiastische spielen und einen letzten Vorstoß wagen.
    »Ich habe heute über Weihnachten nachgedacht«, sagte sie. »Es sind nur noch drei Wochen. Die Zeit vergeht so schnell.«
    Er gab keine Antwort. Er ging in die Küche.
    Sein Schweigen setzte ihr am meisten zu. Sie hatte sich so bemüht – Tag für Tag – mit ganzer Kraft, die geduldige, liebende, verständnisvolle Ehefrau zu sein. Doch seine Sprachlosigkeit war ansteckend. Sie hatte so viel auf dem Herzen, sie hatte Angst um ihre Ehe, um sein, um ihr geistiges Wohlergehen, doch nichts davon konnte sie aus so vielen Gründen äußern.
    Wie sollte sie ihm beibringen, was ihr an diesem Nachmittag bewusst geworden war? Dass sie ein Weihnachtsfest wie das im Vorjahr kein zweites Mal ertrug? Er hatte kein einziges Geschenk gehabt. Es tue ihm leid, hatte er gesagt, er sei nicht in der Stimmung gewesen. Das macht doch nichts, hatte sie so beschwingt wie möglich gesagt und ihm ihre viel zu vielen Geschenke überreicht. Ein weiterer, klarer Fall von Überkompensation. Der restliche Tag war nicht minder entsetzlich gewesen. Sie hatten schweigend und allein im Esszimmer zu Mittag gegessen. Den Nachmittag und Abend vor dem Fernseher verbracht. Ohne Ablenkung, ohne Besuch. Ihre Kinder lebten in Übersee, ihre Tochter Katie in London, ihr Sohn Liam in Barcelona. Sie waren Weihnachten nicht nach Hause gekommen, sie hatten sich zu einer Versammlung der Waisen, wie
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