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Die Frau vom Leuchtturm - Roman

Titel: Die Frau vom Leuchtturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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trotz der neuen freundlichen Blümchentapete und der fröhlich-bunten Patchworkdecke wurde ich unsanft daran erinnert, dass die liebe, arme Seele vor drei Jahren einsam und allein in diesem gewaltigen Himmelbett gestorben war.
    Als ich so müde und bekümmert dastand, fand ich plötzlich die Worte, die ich bei ihrem Begräbnis nicht hatte aussprechen können. »Danke für alles, Tante Ellen«, flüsterte ich in den leeren Raum hinein.
    Wie zur Antwort auf meine tief empfundenen Worte knallten ein paar eiskalte Regentropfen, Vorboten des heranziehenden Sturms, gegen die Fenster wie Schrotkugeln. Ich knipste das Licht aus und ging den Flur entlang zu der kurzen Treppe, die in den Turm hinaufführte.
    Mein altes Zimmer, das ein halbes Stockwerk höher als die obere Etage lag, sah aus wie immer. Als ich vierzehn war, hatte Tante Ellen mir erlaubt, den kleinen, runden Raum nach meinem Geschmack selbst einzurichten.

    Den größten Teil dieses herrlichen Sommers hatte ich damit verbracht, Farben, Muster und eine Tapete mit zarten rosa Rosen auszusuchen. Dann hatte ich mühsam den ganzen Raum selbst tapeziert.
    Ich hatte Damon ausdrücklich verboten, bei der Renovierungsaktion das Turmzimmer anzurühren, den einzigen Raum im Haus, an dem nichts verändert werden sollte. Aber er hatte mich wie üblich ignoriert und darauf hingewiesen, dass der winzige Wandschrank für potenzielle Feriengäste absolut unzulänglich sei. Gegen meinen laut geäußerten Widerspruch hatte er einen alten Schrank aus Vogelaugenahorn nach oben geschafft, der jahrzehntelang im Keller gestanden und Staub und alte Zeitschriften angesammelt hatte.
    Ich hatte laut gelacht, als ich das riesige Möbel sah, das er in den winzigen Raum stellen wollte. Doch zu meiner großen Überraschung hatte der Schrank exakt in eine Ecke zwischen zwei der Fenster gepasst. Und als er von seinem Schmutz befreit und sein Holz mit frischer Bienenwachs-Politur zum Schimmern gebracht worden war, sah er aus, als hätte er immer dort hingehört. Also hatte ich ihm widerwillig erlaubt zu bleiben und war insgeheim erfreut über den zusätzlichen Stauraum gewesen.
    Das Lächeln kehrte auf meine Lippen zurück, als ich das Teetablett auf die Kommode stellte und mich in meinem behaglichen Reich umsah. Die drei hohen, eng zusammenstehenden Fenster des Turms gewähren einen unverstellten Blick auf Maidenstone Island und das Meer dahinter. Mitten in der Nacht, wenn das Signalfeuer des Leuchtturms in der Ferne blitzt und das Wasser im Mondschein glitzert, kann man in dem mit üppigen Schnitzereien geschmückten, federweichen Bett
liegen - einem Fundstück aus der Kapitänskajüte eines Walfängers aus New Bedford, der 1889 vor der Landspitze untergegangen war - und sich vorstellen, man befände sich im Ruderhaus eines gewaltigen Schiffs.
    Zumindest hatte ich das als junges Mädchen getan: In meinen Träumen hatte ich wildromantische Abenteuer erlebt, war nach Ostindien gesegelt, zwischen den von Sternen erhellten Inseln der Ägäis umhergeschweift oder hatte die gefährlichen Küsten Afrikas befahren, und immer mit einem tapferen und gut aussehenden Geliebten an meiner Seite.
    Nie wieder habe ich so viel Glück und Überschwang erlebt wie in diesen halb vergessenen Träumen meiner Mädchenzeit. Und ich vermute, tief im Inneren hoffte ich, mit meiner Rückkehr nach Freedman’s Cove meinen Kummer und meine Sehnsucht nach Bobby lindern zu können, indem ich mir ein wenig von diesem verblassten Kindheitszauber zurückholte.
    Und so ging ich an meinem ersten Abend im Zuhause meiner Kindheitssommer langsam in diesem wunderbaren alten Raum umher, berührte vertraute Gegenstände und ignorierte glücklich die furchteinflößende Geräuschkulisse von Wind und Meer, die gleich vor meinen Fenstern tobte.
    Nach ein paar Minuten holte ich das alte elektrische Heizgerät aus dem winzigen Wandschrank. Die Zentralheizung des Hauses war zwar überholt worden, aber sie reichte immer noch nicht bis ins Turmzimmer. Ich steckte das Heizgerät ein und schaltete es auf die höchste Stufe. Als die Wärme der rot glühenden Heizspiralen die spätsommerliche Kühle aus der Luft vertrieb, legte ich mein Köfferchen aufs Bett.

    Ich klappte den Deckel auf, nahm das dicke Knäuel Unterwäsche heraus, das zwischen meinem Föhn und der Shampooflasche steckte, und wickelte das weiche Päckchen behutsam aus. Hervor kam die kleine, himmelblaue Fairy-Lampe, die ich aus New york mitgebracht hatte. Ich stellte die zarte

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