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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Autoren: August Bebel
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politisch zur Ruhe verwiesen; aber sie benutzte die Zeit der politischen Kirchhofsruhe der fünfziger Jahre um so gründlicher, um das Geschäft zu fördern. Der Ausbruch des österreich-italienischen Krieges, der Beginn der Regentschaft in Preußen regten die Bourgeoisie von neuem an, die Hand nach der politischen Macht zu strecken. Die Nationalvereinsbewegung begann. Die Bourgeoisie war bereits zu entwickelt, um die vielen politischen Schranken, die zugleich ökonomische waren, innerhalb der vielen einzelnen Staaten länger dulden zu können; sie machte Miene, revolutionär zu werden. Herr v. Bismarck erkannte die Situation und benutzte dieselbe in seiner Art, um die Interessen der Bourgeoisie mit denen des preußischen Königtums, dem die Bourgeoisie nie feind war, denn sie fürchtete die Revolution und die Massen, zu versöhnen. Endlich fielen die Schranken, die ihre materielle Entwicklung gehindert hatten. Bei dem Reichtum Deutschlands an Kohlen und Erzen und einer intelligenten, aber genügsamen Arbeiterklasse erlangte die Bourgeoisie binnen wenigen Jahrzehnten eine so riesenhafte Entwicklung, wie sie, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, in keinem Lande in gleich kurzer Zeit und in solchem Maßstab eine Bourgeoisie erlangt hat. So kam Deutschland als Industrie- und Handelsstaat rasch an die zweite Stelle in Europa, und es geizt nach der ersten.
     
    Diese rasche materielle Entwicklung hatte aber auch ihre Kehrseite. Das bis zur Gründung der Einheit Deutschlands zwischen allen deutschen Staaten bestehende Absperrungssystem hatte bis dahin einem ungemein zahlreichen Handwerker- und Kleinbauernstand die Existenz gefristet. Mit der jähen Niederreißung aller Schutzschranken sahen diese sich plötzlich einem sich zügellos entwickelnden kapitalistischen Produktionsprozeß gegenüber. Diese kamen dadurch in eine verzweifelte Lage. Die Prosperitätsepoche im Beginn der siebziger Jahre ließ die Gefahr anfangs weniger groß erscheinen, aber sie wurde um so fühlbarer, als die Krise begann. Die Bourgeoisie hatte die Prosperitätsepoche zu ihrer großartigen Entfaltung benutzt und machte jetzt durch Massenproduktion den Druck verzehnfacht fühlbar. Von jetzt ab erweiterte sich die Kluft zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden rasch und gewaltig. Dieser Zersetzungs- und Aufsaugungsprozeß, der immer rascher sich vollzieht, gefördert durch das Wachstum materieller Macht auf der einen und die sinkende Widerstandsfähigkeit auf der anderen Seite, versetzt ganze Klassen in immer größere Bedrängnis. Sie sehen sich immer stärker in ihrer Lebenslage bedroht und sehen sich mit mathematischer Sicherheit dem Untergang geweiht.
     
    In diesem Verzweiflungskampf suchen viele möglichst Rettung in der Veränderung des Berufs. Die Alten können diesen Wechsel nicht mehr vollziehen, Vermögen können sie in den seltensten Fällen ihren Kindern hinterlassen, so werden die letzten Anstrengungen gemacht und die letzten Mittel aufgeboten, um Söhne und Töchter in Stellungen mit fixem Einkommen zu bringen, wozu ein Betriebskapital nicht nötig ist. Dies sind die Beamtenstellen im Reichs-, Staats- und Kommunaldienst, das Lehrfach, der Post- und Eisenbahndienst, die höheren Stellen im Dienste der Bourgeoisie, auf den Kontors, in den Warenlagern und Fabriken, als Kontoristen, Lagerhalter, Chemiker, Techniker, Ingenieure, Konstrukteure usw., ferner die sogenannten liberalen Berufe: Juristen, Ärzte, Theologen, Schriftsteller, Künstler, Architekten, Lehrer und Lehrerinnen usw.
     
    Tausende und aber Tausende, die früher einen gewerblichen Beruf ergriffen hätten, sehen sich jetzt, weil keine Möglichkeit zur Selbständigkeit und einer auskömmlichen Existenz mehr vorhanden ist, nach irgendeiner Stellung in den erwähnten Berufen um. Alles drängt zur höheren Ausbildung und zum Studium. Realschulen, Gymnasien, Polytechniken usw. wachsen wie Pilze aus der Erde, und die bestehenden sind überfüllt; im gleichen Maßstab wächst die Zahl der Studierenden auf den Universitäten, der Eleven in den chemischen und physikalischen Laboratorien, in den Kunstschulen, den Gewerbe- und Handelsschulen, den höheren weiblichen Bildungsanstalten aller Art. In allen Fächern ohne Ausnahme besteht eine hochgradige Überfüllung, und immer stärker wird der Strom. Es werden immer neue Verlangen laut nach Gründung von Gymnasien und höheren Bildungsanstalten, um die Zahl der Schüler und Studierenden aufzunehmen. Behörden und Private erlassen
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