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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Autoren: August Bebel
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bei Verwirklichung des Sozialismus nicht um willkürliches Einreißen und Aufbauen, sondern um ein naturgeschichtliches Werden handelt. Alle Faktoren, die in dem Zerstörungsprozeß einerseits, im Werdeprozeß andererseits eine Rolle spielen, sind Faktoren, die wirken, wie sie wirken müssen. Weder sind es "geniale Staatsmänner" noch "volksaufwiegelnde Demagogen", die die Dinge nach ihrem Willen leiten können. "Sie glauben zu schieben und sie werden geschoben." Aber wir sind nahe an dem Punkte, "wo die Zeit sich erfüllet hat".
     
    Wir sprachen in diesen Ausführungen öfter von einer Überproduktion an Waren, welche die Krisen erzeugt, eine des bürgerlichen Welt eigentümliche Erscheinung, die sich in keiner früheren Entwicklungsperiode zeigte.
     
    Die bürgerliche Welt schafft aber nicht nur Überproduktion an Waren und an Arbeitern, sondern auch an Intelligenz. Deutschland ist das klassische Land, das diese Überproduktion an Intelligenz, welche die bürgerliche Welt nicht mehr zu verwerten weiß, auf großer Stufenleiter schafft. Ein Zustand, der für die deutsche Entwicklung jahrhundertelang als ein Unglück galt, hat wesentlich zu dieser Erscheinung beigetragen. Das ist die Kleinstaaterei und die Hemmung, die diese politischen Gebilde auf die großkapitalistische Entwicklung ausübten. Die Kleinstaaterei dezentralisierte das geistige Leben der Nation, sie schuf viele kleine Zentren geistigen Lebens, die ihren Einfluß auf das Ganze ausübten. Im Verhältnis zu einer einzigen Zentralregierung bedurften die vielen Staaten eines ungemein großen Beamtenapparats, für dessen Glieder eine gewisse höhere Bildung notwendig ist. So entstanden wie in keinem anderen Lande Europas Hochschulen und Universitäten in Menge. Eifersucht und Ehrgeiz der verschiedenen Regierungen spielten hierbei eine große Rolle. Ähnliches vollzog sich, als einzelne Regierungen begannen, den obligatorischen Volksunterricht einzuführen. Die Sucht, hinter dem Nachbarstaat nicht zurückzubleiben, schlug hier einmal zum Guten aus. Das Bedürfnis nach Intelligenz steigerte sich, als die zunehmende Bildung, Hand in Hand gehend mit der materiellen Entwicklung des Bürgertums, das Verlangen nach politischer Beteiligung, nach Volksvertretungen und Selbstverwaltung der Gemeinden weckte. Es waren kleine Körperschaften für kleine Länder und Kreise, aber sie veranlaßten die Söhne der höheren Klassen, nach einer Stelle in denselben zu geizen und ihre Bildung danach einzurichten.
     
    Wie mit den Wissenschaften, ging es mit den Künsten. Kein Land Europas hat im Verhältnis so viele Maler-, Kunst- und technische Schulen, Museen und Kunstsammlungen als Deutschland. Andere Länder mögen Bedeutenderes in ihren Hauptstädten aufweisen können, aber eine Verteilung über das ganze Reich wie Deutschland besitzt keines derselben. In bezug auf Kunst nur Italien.
     
    Diese ganze Entwicklung wirkte auf das deutsche Geisteswesen vertiefend ein, der Mangel an großen politischen Kämpfen gab Muße zu einem gewissen beschaulichen Leben. Während andere Nationen um die Herrschaft auf dem Weltmarkt rangen, die Erde unter sich verteilten und große innere politische Kämpfe führten, saßen die Deutschen zu Hause und träumten und philosophierten. Aber dieses Träumen, Spintisieren und Philosophieren, das ein zum häuslichen Leben und zur Anstrengung nötigendes Klima begünstigt, schuf jenen kritischen, beobachtenden Geist, durch den sich die Deutschen, nachdem sie erwacht waren, anfingen, auszuzeichnen.
     
    Während das englische Bürgertum schon in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, das französische Bürgertum gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts seinen maßgebenden Einfluß auf den Staat sich erkämpft hatte, gelang es dem deutschen Bürgertum erst mit dem Jahre 1848, sich einen, vergleichsweise sehr mäßigenden Einfluß auf die Staatsgewalt zu erobern. Aber das Jahr 1848 war das Geburtsjahr für die deutsche Bourgeoisie als selbstbewußte Klasse, die im Liberalismus repräsentiert, jetzt als selbständige politische Partei auf die Bühne trat. Auch hier zeigte sich die Eigentümlichkeit der deutschen Entwicklung. Es waren nicht Fabrikanten, Kaufleute, Handels- und Finanzmänner, die das große Wort führten, sondern vorzugsweise liberalisierende Standesherren, Professoren, Schriftsteller, Juristen und Doktoren aller Fakultäten. Es waren die deutschen Ideologen, und danach fiel ihr Werk aus. Nach 1848 wurde einstweilen die Bourgeoisie
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