Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid
Autoren: Beryl Bainbridge
Vom Netzwerk:
einen Parkplatz mit einem Kinderkarussell, das im Sonnenlicht blitzte, wenn es sich drehte. Rose blieb, wo sie war, und das war ihm nur recht. Er kaufte sich einen Schokoriegel und behielt den Campingbus im Auge, falls Rose nachkam, um ihn zu suchen. Als er mit der Nachricht zurückkehrte, dass Wheeler schon wieder weitergezogen war, sah sie aus, als würde sie in Tränen ausbrechen. Er versicherte ihr, sie würden ihn auf jeden Fall morgen in Los Angeles finden, im Hotel Ambassador.
    Sie wollte nicht schwimmen, er musste sie förmlich auf den Strand zwingen. Als er ins Meer watete, war er sich dessen bewusst, dass sie zusammengesackt auf dem Sand hinter ihm saß, eine Hand schützend über den Augen. Wie immer hatte sie ihre Sonnenbrille vergessen.

    Während er auf dem Rücken schwamm, die Augen gegen die Sonne geschlossen, wurde er innerlich geblendet von einer Vision dieses fein gezeichneten Gesichts, dessen Mund sich zu einem überlegenen Lächeln verzog. Er versuchte, Wheeler aus seinem Kopf zu vertreiben, doch ohne Erfolg.

17
    »Setz dich gerade hin«, sagte Washington Harold. Er beugte sich vor und schlug Rose die Hand vom Mund. Er hatte ihr oft genug versichert, dass mit ihrer Lippe alles in Ordnung sei, dass sie sich das alles nur einbilde. Rose blinzelte, dann drehte sie den Kopf weg und schien die Hotelgäste im Colonial Room zu studieren. Ihr Blick richtete sich auf den jungen Mann mit dem komischen Namen, der sich an der Schulter seines gelben Pullovers kratzte und dabei Wörter in ein Schulheft mit rotem Umschlag kritzelte. Aus dem Embassy Ballroom im Hintergrund hörte man gezupfte Banjotöne und heiseren Gesang.
    »Entschuldige«, sagte Harold. »Ich wollte dir keinen Klaps geben.«
    »Das war kein Klaps«, erwiderte sie. »Das war ein Schlag.«
    Er schwieg eine Weile und ließ die Spitze seines Zeigefingers kreisend über den Rand des Weinglases gleiten. Schließlich wiederholte er: »Entschuldige. Ich glaube, diese Fahrerei hat mich völlig zermürbt.«

    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Rose und stand vom Tisch auf. An der Tür hielt sie inne und neigte den Kopf, um das ersterbende Wimmern des singenden Glases zu erhaschen.
    Das Foyer des Hotels Ambassador war dunkel getäfelt und zum Teil verspiegelt. Die Lichter brannten, und wohin sie sich auch wandte, immer sah sie sich selbst durch die Spiegel fliehen. Die blendende Helligkeit machte vergessen, wie zerknittert ihr gepunktetes Kleid war.
    Gestern hatte Washington Harold ein Zimmer in einem Motel in Santa Monica genommen, damit sie baden konnten, allerdings gab es dort keine Badewanne, nur eine Dusche. Sie konnte Duschen nicht ausstehen; das Wasser war entweder kochend heiß oder eiskalt, und sich im Stehen zu waschen war albern. Als sie wieder zum Vorschein kam, fand er es merkwürdig, dass ihr Haar nicht nass war, und sie sagte, es trockne eben schnell. Sie wusste, dass er wusste, dass sie log, aber inzwischen war ihr das egal. Es war nicht ihre Schuld, dass sie aus verschiedenen Schichten kamen.
    Im Zimmer gab es ein Bügeleisen, und sie hätte sich vielleicht noch um ihr Kleid gekümmert, wenn Harold es mit dem Frühstück nicht so eilig gehabt hätte. Er bestellte drei Eier, eine doppelte Portion Schinken und einen Berg Bratkartoffeln. Er schnitt den Schinken klein, legte das Messer weg und spießte alles mit der Gabel auf, wie ein Kind. Obwohl sie
Hunger hatte, bat sie nur um zwei Scheiben Toast; sie war entschlossen, ihm keine weiteren Kosten zu verursachen.
    Nach dem Frühstück stiegen sie wieder in den Campingbus und fuhren nach Malibu. An diesem Ort hatte John Fury Dr. Wheeler zum letzten Mal gesehen. Es war windig, und die Wellen schossen bis zu den Wolken hoch. Harold zog sich eine Badehose an und ging auf Zehenspitzen hinunter zu der stürmischen See, wie eine krummbeinige Ballerina. Aus der Entfernung wirkte er weniger pummelig, besser proportioniert vor der Weite des Himmels. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie mitkommen wolle, inzwischen wusste er, was sie antworten würde.
    Der Strand war leer bis auf ein paar Kinder und drei Männer; einer von ihnen trug Badeshorts und jagte die kreischenden Kinder über den Sand; sie spielten Bockspringen in den anrollenden Wellen, tauchten unter, tauchten wieder auf, wie Steine beim Ditschen. Die beiden Zuschauer trugen Anzüge und schritten ständig auf und ab, immer aneinander vorbei wie Wachposten.
    Rose beobachtete mehr sie als Harold; tief im Innern wünschte sie sich, er würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher