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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Redaktionen immer Herren, weil sie meinen, das passt besser, Männer und Technik und so. Zweimal jedenfalls hatte ich Damen zum Interview, eine kam vom Radio, eine von einer Wirtschaftszeitschrift,glaub ich – und beide haben auf ihrer eigenen Menüwahl bestanden, die sind nicht reingefallen auf mein Jägerschnitzel. Als ich ihnen gratuliert und gesagt habe, sie hätten eine wichtige Voraussetzung, wenn nicht die wichtigste Voraussetzung zum Erfinderdasein, nämlich Eigensinn, da haben sie das für ein billiges Kompliment gehalten. Die haben mich gar nicht verstanden, die haben nur gedacht, der Alte will ihnen auf die Pelle rücken   … Das ist übrigens eine völlig vernachlässigte Frage, warum wird der Eigensinn der Frauen, ich spreche jetzt mal ganz allgemein, so wenig genutzt für die Technik, für Innovationen? Was für Potentiale da brachliegen! In jeder zweiten Rede können Sie mich rufen hören: Wo bleiben die Erfinderinnen? Das steht auch in dem Braunschweiger Manuskript, das meine Tochter nachher vorlesen wird, wenn die Herren endlich durch sind mit ihren acht oder neun Grußworten und Lobreden. Sie sehen, ich hab eine hohe Meinung von den Frauen. Das verdanke ich Ada, Ada Lovelace   … Sie ist die Ausnahme   … Jetzt ist es raus   … Jetzt ist der Name genannt, jetzt kann ich nicht mehr zurück   …

(Faust zum Frühstück)
     
     
     
    Na ja, das ist einfach so. Sie haben bei mir einen Stein im Brett. Sie glauben gar nicht, wie mich das überrascht hat damals. Das hab ich nie vergessen,unser Gespräch bei dieser Tagung an der Nordsee, wie lang ist das her?   … Nicht zu fassen, ich dachte fünf Jahre oder sieben höchstens   … Beim Frühstück über das Faustische reden, das kommt ja auch nicht alle Tage vor. Das hat mir schon mal gefallen, dass da einer, so ein junger Kerl, diese Stelle in meinen Memoiren nicht überlesen hat. Und wissen Sie noch, was Sie dann zu mir gesagt haben?   … Nein, nein, ich hab das besser in Erinnerung, wörtlich: Faust ist doch ziemlich humorlos, aber Sie sind es nicht, haben Sie gesagt. Zuerst hab ich nicht gewusst, ob Sie mir schmeicheln oder mich auf den Arm nehmen. Schließlich, muss ich zugeben, fand ich den Gedanken doch ganz nützlich. War schade, dass wir das abbrechen mussten, ich hatte keine Zeit mehr für den Spaziergang zum Leuchtturm, aber auf der Rückfahrt ist mir das lange im Kopf geblieben   … Seit neun Jahren haben wir es nicht geschafft, das nachzuholen, mal sehn, wie weit wir heute damit kommen. Ich hab mich jedenfalls vorbereitet und die alte Schwarte aus dem Regal geholt. Ich hab meine Hausaufgaben gemacht und den
Faust
noch mal gelesen und den
Faust Zwei
zur Hälfte. Wer tut so was schon freiwillig, ich meine, wenn er nicht vom Fach ist   … Ja, eins hab ich dabei gelernt, und das sag ich Ihnen gleich: dass Ada nicht mein Gretchen ist, sondern meine Helena, wenn schon   … Das sag ich Ihnen gleich zu Anfang, damit Sie bei Ada nicht auf falsche Gedanken kommen, so ein schäbiger Hund wie derFaust bin ich dann doch nicht   … Nein, später   … Kurz und gut, Sie sind der Einzige, nehmen Sie das ruhig als Kompliment, junger Mann, der meine Gedanken zum
Faust
verstanden, nein, der sie bemerkt hat. Ob Sie mich verstanden haben, ist eine ganz andere Frage, da hab ich eher meine Zweifel, das werden wir vielleicht herausfinden heute Abend. Alle andern haben darüber hinweggelesen in meinen Erinnerungen, obwohl ich im Vorwort, deutlicher geht es ja nicht, die Leute mit der Nase drauf gestoßen habe. Kein Mensch hat mich je auf die Faust-Frage angesprochen in all den Jahren, in fünfzig, in mehr als fünfzig Jahren nicht. Alle lachen nur über den
Faust,
Schulkram, abgedroschen   … Und deshalb, Sie verstehen schon, muss ich Sie ins Vertrauen ziehen, wen denn sonst? Ich sag es mal so: Wer den Faust in mir versteht oder ihn wenigstens bemerkt, der versteht auch die Ada in mir   … Nein, nachher   … Ich möchte heut gar nicht viel über den Computer-Erfinder sagen, sondern über die Leidenschaft des Computer-Erfinders, über seine Gefühle, den Antrieb. Nicht über die Mathematik, sondern über faustische Energie, über die Lust am Erfinden. Es hört sich immer so aufgeplustert, so pathetisch an, wenn man vom Faustischen spricht, von der faustischen Seele, und ich will gar nicht aufgeplustert daherreden   … Sie verstehen wenigstens, was ich meine, das hoff ich jedenfalls. Bei meinen Freunden und Bekannten mach ich mich
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