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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Rhönforelle gehabt hätte. Sie auch, geben Sie es zu, Sie sind auch so ein Rhönforellen-Kandidat   … Das Experiment funktioniert immer, ist doch klar, die Leute wollen sich bei mir einschmeicheln, indem sie meiner Empfehlung folgen. Sie meinen es gut, weil sie nicht wollen, dass ich verkannt war und da und dort immer noch bin, genau wie das Jägerschnitzel. Sie wollen mich endlich aus meiner Verkanntheit erlösen und fangen schon mal mit dem verkannten Jägerschnitzel an. So simpel ist der Mensch gestrickt. Sie lassen sich manipulieren, weil sie was von mir wollen, ein paar schöne Geschichten, ein paarneue Anekdoten, ein paar Schnurren aus der Pionierzeit. Auch Sie lassen sich manipulieren, obwohl Sie eigentlich ein ganz Kritischer sind oder sein wollen, der sich nicht gern reinlegen lässt. Und schon sind Sie reingefallen. Ja, warum mach ich diesen Test? Um zu zeigen, dass aus Ihnen kein Erfinder geworden wäre! Wer sich anpasst, wer sich von irgendwelchen Erwartungen seiner Chefs lenken lässt, wer den Mittelweg geht, den völlig stumpfsinnigen goldenen Mittelweg, der kann, vielleicht, vielleicht ein guter Beamter werden, ein Schnarchsack im Patentamt, oder ein tüchtiger Handwerker meinetwegen, aber kein Erfinder. Deshalb war mein Leitspruch schon immer: Mensch, werde hart!   … Schauen Sie nicht so erschrocken, prost! Ich weiß, der Spruch passt nicht mehr in unsere Zeit, wo man alles immer bequemer haben will und immer weicher liegen will, aber genau deshalb komm ich Ihnen ja damit. Und wenn ich Ihnen sage, dass ich den Spruch von einem Oberleutnant habe, aus der Nazizeit, aus unserm Wehrsportlager, dann erschrecken Sie noch mehr. Aber es ist mir egal, ob Sie darüber erschrecken und die Stirn runzeln oder ob der Zeitgeist unserer goldenen neunziger Jahre damit einverstanden ist oder nicht. Mir hat der Spruch, das können Sie mir glauben, immer geholfen, nüchtern und zielklar zu bleiben. Und Sie wollen ja von mir ein paar interessante Sachen hören und nicht, was der Zeitgeist diktiert. Vielleicht verschwindet der Spruch mit mir von derBildfläche, den nehm ich gern mit ins Grab, und den anderen sowieso, meinen zweiten Wahlspruch: Im Grunde bist du stets allein. Ein Spruch, der spätestens auf dem Friedhof seine volle Wahrheit entfaltet, sehr tröstlich, nicht wahr? Sage mir deine Sprüche, und ich sage dir, wer du bist. Nur damit Sie sich kein falsches Bild von mir basteln, ich bin kein netter Opa zum Anfassen   … Also, der Jägerschnitzel-Test   … Ich mach das, damit Sie noch mehr Respekt vor mir kriegen. Ich meine nicht nur diesen Respekt, den beispielsweise die Laien vor den Mathematikern haben wegen der verzwickten Formeln oder die Technik-Idioten vor dem Fernsehtechnikergesellen, wenn der Kasten wieder läuft. Ich meine einen ganz praktischen Respekt vor der Härte des Erfindens, weil   … Im Nachhinein verklärt sich immer alles, da wird einem alles zur Story umgebogen. Besonders dann, wenn man mit euch journalistischen Geschichtenerzählern plaudert. Die Morgenröte der Computerei mit Laubsäge und Erbsbrei, die Wohnzimmer-Story, die heroische Rettung der A4 im Chaos der letzten Kriegstage. Als hätte immer alles nach Anekdote geschmeckt. Wie waren Ihre Gefühle, bitteschön, als Sie unter dem Beschuss der Tiefflieger den ersten Computer der Welt durch Schlamm und Bombentrichter nach Süden bugsiert haben? Bei solchen Fragen, auf diesem Niveau kann doch nur Geschwätz rauskommen, respektloses Geplapper. Wenn ich konsequent wäre, müsste ich antworten:Es war hart, es war schwer, es war bitter, es war enttäuschend, danke, auf Wiedersehen   … Wenn ich sentimental wäre und mich an einem Rednerpult festhalten könnte, würde ich vielleicht sagen, es war mit Blut und Tränen erkauft. Aber Sie haben Glück, ich bin nicht sentimental   … Und konsequent auch nicht. Gerade deshalb, entschuldigen Sie die Abschweifung, brauch ich den Jägerschnitzel-Test. Damit Sie von der Zunft der Schmarotzer, nehmen Sie das bitte sportlich und als Zeichen meiner guten Laune, dass ich so offen bin, damit Sie kapieren, wie viel Charakter und Eigensinn man braucht, was sag ich, Eigensinn hoch zehn. Als Erfinder muss man ein Naturell haben wie ein großer Künstler, ein Leonardo, ein Michelangelo, ein Goethe. In Wirklichkeit hat es der Künstler meistens noch leichter als wir, der muss auch darben, aber der wird nicht von morgens bis abends nach der Verwertbarkeit gefragt. Dem wird vielleicht einmal in der
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