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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Autoren: Sue Townsend
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hörte Poppy wimmern. Sie erstarrte. Es gab kein Entkommen aus dem sechsten Stock des Gebäudes – und das Fenster ließ sich sowieso nur wenige Zentimeter öffnen.
    »Ich bin’s – Poppy. Lass mich rein!«
    Brianne rief: »Nein! Geh schlafen, Poppy!«
    Poppy flehte: »Brianne, hilf mir! Mich hat ein einäugiger Mann überfallen!«
    Brianne öffnete die Tür und Poppy fiel ins Zimmer. »Ich wurde überfallen!«
    Brianne sah in den Korridor. Er war leer. Die Tür zu Poppys Zimmer stand offen, und es dudelte der Emo- Song, den sie ununterbrochen hörte – »Almost Lover« von A Fine Frenzy. Sie warf einen Blick in Poppys Zimmer. Es gab keine Hinweise auf einen Kampf. Die Bettdecke war faltenlos.
    Als sie in ihr eigenes Zimmer zurückkehrte, entdeckte sie zu ihrem Befremden, dass Poppy ihren flauschigen Lieblingsbademantel trug, unter ihre Decke gekrochen war und in ihr Kissen schluchzte. Da Brianne nichts Besseres einfiel, setzte sie Teewasser auf und fragte: »Soll ich die Polizei rufen?«
    »Meinst du nicht, dass ich schon genug durchgemacht habe?«, rief Poppy. »Ich werde heute einfach in deinem Bett schlafen, mit dir.«
    Dreißig Minuten später klammerte sich Brianne an den Rand des Bettes. Sie nahm sich vor, morgen in die Universitätsbibliothek zu gehen und sich ein Buch darüber auszuleihen, wie man Rückgrat entwickelte.

4
    Am zweiten Tag wachte Eva auf, schlug die Decke zurück und setzte sich auf die Bettkante.
    Dann fiel ihr ein, dass sie ja gar nicht aufzustehen brauchte, dass sie kein Frühstück machen musste, niemanden wecken, keinen Geschirrspüler ausräumen, keine Waschmaschine befüllen, keinen Stapel Wäsche bügeln, weder den Staubsauger die Treppen hochschleppen noch Schränke oder Schubladen aufräumen, noch den Herd putzen oder diverse Oberflächen wischen, einschließlich der Hälse der Saucen-Flaschen, noch Holzmöbel polieren, Fenster putzen oder Böden feudeln, Teppiche oder Kissen ausklopfen, keine Bürsten in diverse vollgeschissene Klos rammen oder schmutzige Wäsche aufsammeln, keine Glühbirnen wechseln oder Klopapierrollen ersetzen, nichts von unten nach oben räumen oder von oben nach unten, nichts von der Reinigung abholen, kein Unkraut jäten, nicht ins Gartenzentrum fahren, um Blumenzwiebeln oder Pflanzen zu kaufen, keine Schuhe putzen oder zum Schuster bringen, keine Bücher in der Bücherei abgeben, keinen Abfall sortieren, keine Rechnungen bezahlen, nicht eine Mutter besuchen und ein schlechtes Gewissen haben, dass man die Schwiegermutter nicht besucht, keine Fische füttern und den Filter reinigen, keine telefonischen Nachrichten für zwei Teenager entgegennehmen, keine Beine rasieren oder Augenbrauen zupfen oder Fingernägel lackieren, keine drei Betten beziehen (wenn Samstag war), keine Wollpullover mit der Hand waschen oder zum Trockenen auf Badetücher legen, keine Nahrungsmittel einkaufen, die sie selbst nicht aß, sie ins Auto laden, nach Hause fahren, in Küchenschränke und Kühlschrank räumen, keine Dosen und haltbaren Lebensmittel auf Zehenspitzen auf ein Regal stellen, an das sie nicht, Brian aber locker rankam.
    Sie würde kein Gemüse schnippeln oder Fleisch anbraten. Sie würde weder Brot noch Kuchen backen, nur weil Brian selbstgebacken besser schmeckte als gekauft. Sie würde kein Gras mähen, Unkraut jäten, nichts pflanzen, keine Wege fegen oder Blätter im Garten einsammeln. Sie würde den neuen Zaun nicht mit Teeöl streichen. Sie würde kein Holz für das Kaminfeuer hacken, an dem Brian in den Wintermonaten abends saß, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Sie würde sich weder die Haare bürsten noch duschen oder sich hastig schminken.
    Heute würde sie nichts von alldem tun.
    Sie würde sich keine Gedanken machen, ob ihre Kleidungsstücke zusammenpassten, weil sie sich nicht vorstellen konnte, sich je wieder anzuziehen. In absehbarer Zukunft würde sie nur Schlafanzüge und einen Bademantel tragen.
    Sie würde darauf vertrauen, dass andere für sie sorgten. Sie wusste nicht, wer diese anderen waren, doch sie glaubte, dass es den meisten Menschen ein Bedürfnis war, ihre Güte zu demonstrieren.
    Sie wusste, dass sie sich nicht langweilen würde – sie musste über vieles nachdenken.
    Eilig ging sie zum Waschbecken, wusch sich das Gesicht und die Achseln, doch es fühlte sich nicht richtig an aufzustehen. Beide Füße auf dem Boden, bestand die Gefahr, dass ihr Pflichtgefühl sie nach unten lockte. Vielleicht würde sie ihre Mutter um eine
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