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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Michael Wilcke
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womöglich Affen und ein Bär, den man auf Befehl tanzen ließ. Das alles störte mich nicht. Artisten und Bärenführer würden die Bürger herbeilocken, und solange sich kein anderer Reliquienhändler oder fahrender Medikus hier niederließ, würden wir gute Geschäfte machen.
    Nachdem wir also die Bühne hergerichtet hatten, machten wir uns hinter dem Wagen an die weiteren Vorbereitungen. Reynold füllte einen übelriechenden Sud in kleine Flaschen ab, und Jasmin kramte das Seidenkleid hervor, das sie später bei der Vorstellung tragen würde.
    Mieke war verschwunden. Wahrscheinlich streifte sie neugierig über den Markt. Ich hoffte, dass sie ihre Diebesfinger beherrschte und sich keinen Ärger einhandeln würde.
    Während ich die Holztruhe mit den Reliquien vom Wagen hievte, fiel mein Blick auf Jasmin, die das Kleid in den Händen hielt und so verächtlich darüber die Nase rümpfte, dass ich befürchtete, sie würde es jeden Moment in Fetzen reißen.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Es macht mich zu einer Puppe«, knurrte sie.
    »Unsinn«, versuchte ich sie zu besänftigen. »Du schaust darin aus wie eine Prinzessin.«
    »Ich spucke darauf. Es widert mich an, wie ein dressierter Papagei auf dieser Bühne herumzustolzieren.«
    In den vergangenen drei Jahren hatte Jasmin wohl weit mehr als einhundert Auftritte in diesem Kleid hinter sich gebracht, ohne sich auch nur ein einziges Mal über diese Ausstaffierung zu beschweren. Mir war klar, dass sie nur deshalb diese Laune an den Tag legte, weil sie wütend auf mich war. Ich wollte ihr gut zureden, doch unglücklicherweise kam mir Reynold zuvor, der Jasmin mit einem seiner grotesken Vergleiche neckte.
    »Ein Bauerntrampel, den man mit Honig bestreicht, stinkt trotzdem nach der Gosse«, sagte er, zog seine Gugel zur Seite und kratzte sich an seinem verstümmelten Ohr. »Mich wundert es, dass überhaupt jemand auf diese billige Maskerade hereinfällt.«
    »Wen nennst du einen Trampel?« Zwischen Jasmins Augen bildete sich eine tiefe Zornesfalte. Sie richtete einen Finger auf Reynold und fauchte: »Halt besser dein Maul, oder du verlierst auch noch das andere Ohr.«
    Reynold schnitt eine Grimasse in Jasmins Richtung. Sie hingegen blickte uns beide mit ihren dunklen Augen so zornig an, dass sie mir wie eine Furie erschien. Auch wenn Jasmin und ich uns in der Vergangenheitsehr nahe gekommen waren – und das nicht nur körperlich –, gab es immer wieder Momente, in denen mich ihre Launen regelrecht abschreckten.
    »Schluss damit!«, schimpfte ich. »Bereitet euch endlich auf die Vorstellung vor, oder wollt ihr nur faul herumsitzen und heute Abend trockene Baumrinde fressen?«
    Die Androhung einer hungrigen Nacht sorgte für Ruhe zwischen den Streithähnen. Jasmin brummte weiter vor sich hin, doch Reynold lachte nur, und damit war der Hader fürs Erste beigelegt. Ich hatte einen wackligen Frieden erreicht, der bei der nächsten falschen Bemerkung rasch wieder zu neuem Zank führen konnte.
    Aufmunternd klatschte ich in die Hände. »Wohlan! Die Münzen der Osnabrücker warten nur darauf, in unsere Taschen zu wandern.«
    »Tun sie das?«, vernahm ich hinter mir eine energische Stimme. Ich wandte mich um. Ein Mann in vornehmer Kleidung und mit kantigem Gesicht trat auf mich zu. Er zwirbelte seinen Oberlippenbart und ließ seinen Blick von unserem Wagen zu Jasmin und Reynold wandern. Dann schaute er mir mit einer gewissen Häme in die Augen und sagte: »Ich frage mich, ob ihr für das Geld unserer Bürger auch eine Gegenleistung erbringen könnt.«
    »Wer will das wissen?«, erwiderte ich.
    »Mein Name ist Jost Lüders. Ich stehe in den Diensten des Rates, der mir die Aufgabe übertragen hat, das Marktgeschehen zu überwachen.«
    »Und was wollt Ihr von uns?« Der Besuch dieses Amtmannes machte mich unruhig.
    Lüders ging zwei Schritte und stellte sich neben die Reliquien-Kiste. An seiner rechten Hand trug er einen breiten Silberring, mit dem er zweimal auf den Holzdeckel klopfte.
    »Aufmachen!«, wies er mich an.
    Ich zögerte kurz ob seines herrischen Tons. Es widerstrebte mir, mich dem zu beugen. Dennoch wollte ich den Amtmann nicht gegen mich aufbringen. Ich öffnete die Kiste.
    »Die Heiligtümer aus dem fernen Jerusalem.« Lüders lachte leise und nahm einige Gegenstände in die Hand. Er betrachtete ein zerkratztes Eisenstück, das nicht größer als mein Daumen war, und runzelte die Stirn.
    »Ein Stück des Rostes, auf dessen Glut der heilige Laurentius gemartert wurde«,
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