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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen
Autoren: Aufbau
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Jungfrau mehr war. Aber sollte sie sich die Blöße geben, ihre Dienstmagd zu bitten, sie auf das vorzubereiten, was eine
     Frau erwartete, die sich einem Mann hingab? Die sich ihm hingeben musste? Nein, Thusnelda reichte Inaja den Becher und schüttelte
     unmerklich den Kopf. Das war unter ihrer Würde!
    »Geht es Euch nicht gut?«, fragte Inaja leise. »Soll ich Euch die Arbeit abnehmen? Euer Vater reitet gerade über die Felder,
     um die Bauern bei ihrer Arbeit zu kontrollieren. Er wird so schnell nicht zurückkehren.«
    Thusnelda zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. Nein, auch das musste unter ihrer Würde sein. Fürst Segestes’ Tochter durfte
     nicht zu erkennen geben, dass sie ungeschickter war als eine Dienstmagd. Genauso wenig, wie sie zu erkennen geben durfte,
     dass ihr die zukünftigen Pflichten als Ehefrau Angst machten. Wenn doch ihre Mutter noch lebte! Oder wenn es in der Eresburg
     eine Frau gäbe, die von gleichem Stande war! Der hätte sie sich anvertrauen und ihrem Rat folgen können!
    Inaja zog einen Schemel heran und setzte sich zu Thusnelda. »Gerade war ein Händler da, der Stoffe und Bernstein anbot.« Sie
     nahm Thusnelda unauffällig die Spindel aus der Hand und rückte ihren Schemel näher an den Webstuhl heran. Thusnelda tat so,
     als bemerkte sie nicht, dass Inaja ihre Webarbeit fortsetzte, während Inaja vorgab, nur ein wenig mit Spindel und Faden zu
     spielen. »Der Händler hat erzählt«, fuhr sie fort, »dass Segimers Zustand sich verschlechtert hat.«
    »Es geht mit ihm zu Ende?«, fragte Thusnelda erschrocken.
    Inaja nickte. »Seine Tochter ist bereits gekommen, um die Mutter bei der Pflege des Vaters zu unterstützen.«
    »Wiete!« Thusnelda lächelte, als sie an die Hochzeit auf der Teutoburg dachte. Die einzige Tochter Fürst Segimers hatte einen
     Stammesfürsten der Brukterer geheiratet, die westlich der Cherusker lebten. Das Gebiet der Brukterer dehnte sich bis zum Rhein
     aus. Wiete war ein paar Jahre älter als Thusnelda, und als sie heiratete, waren sämtliche Gaufürsten der Umgebung mit ihren
     Familien zugegen gewesen. Nur Arminius und Flavus, |30| Wietes Brüder, waren im römischen Heer unabkömmlich gewesen. Für den Bräutigam war es bereits die zweite Ehe, seine erste
     Frau war im Kindbett gestorben. Das Baby jedoch hatte überlebt, und Wiete hatte es schon bei ihrer Hochzeit ins Herz geschlossen.
     Sie war dem kleinen Mädchen eine gute Mutter geworden. Ein eigenes Kind hatte sie bisher nicht zur Welt gebracht.
    Inaja unterbrach Thusneldas Gedanken. »Ich habe gehört, dass Hermut sich bereitmacht, um Arminius und Flavus zurückzuholen.«
    »Hermut?« Thusnelda runzelte die Stirn und dachte nach.
    »Arminius’ Freund«, erklärte Inaja. »Sein bester Freund seit Kindertagen! Obwohl er Arminius nicht ebenbürtig ist. Hermut
     ist der Sohn eines Bauern, der vor der Teutoburg lebt.«
    Thusnelda sah ihre Magd erstaunt an. »Woher weißt du das?«
    Inaja zuckte die Achseln und webte plötzlich so emsig, dass sie ihre Herrin nicht ansehen konnte. Ein feines Rot überzog ihre
     Wangen, und Thusnelda begriff plötzlich. »Macht er dir den Hof?«, fragte sie leise.
    Inaja nickte, ohne aufzublicken. »Aber ich will nicht in die Teutoburg wechseln. Ohne Euch!«
    Thusnelda erhob sich, griff nach ihrem wollenen Umhang und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus. Draußen blieb sie stehen
     und atmete tief ein. Dann ging sie zu der Stelle, wo ein Teil der Einfriedung zu erkennen war, der die Teutoburg umgab. Zwischen
     der väterlichen Burg und der des Germanenfürsten Segimer lagen morastige Wiesen, hier und da von niedrigen Wäldchen durchsetzt.
     Von der höchsten Stelle der Eresburg konnte Thusnelda den höchsten Punkt der Teutoburg erahnen. Ob sie das Glück haben würde,
     Arminius und Flavus vorbeireiten zu sehen, wenn sie ans Sterbebett ihres Vaters eilten? Viele Jahre waren vergangen, seit
     sie den Brüdern zum letzten Mal begegnet war. Und viel war darüber geredet worden, wie schön, edel und siegreich Arminius
     in Rom geworden war.
     
    |31| Der Morgen stieg hinter den gläsernen Windaugen auf. Als Severina die Augen öffnete, bemerkte sie gleich, dass die Schwärze
     hinter den Fenstern sich gelichtet hatte. Zu einem hellen Grau war sie geworden, das sich mit winzigen Lichtpunkten sprenkelte.
     Bald würde die Sonne über den Bäumen stehen, gleißend und hell, dann sollte sie den kaiserlichen Palast verlassen haben. Besser,
     sie ließ es nicht auf einen
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