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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen
Autoren: Aufbau
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die Holzmasten in die Konsolen gesteckt, die am oberen Abschlussrand
     der Sitzränge angebracht waren, und die Segel befestigt, welche die Zuschauer vor der Sonne schützen sollten. Zwei dieser
     Sklaven waren vor einer halben Stunde abgestürzt. Nun mussten sich die anderen beeilen, ihre zerschmetterten Körper beiseitezuschaffen,
     ehe das Publikum auf die Ränge drängte.
    Sie beschirmte die Augen mit der Hand und blickte nach oben. Alles war vorbereitet. Aber noch waren die Gladiatoren und die
     zum Tode Verurteilten ganz allein mit ihrer Angst, verbargen sich in der Stille, in der Angst der anderen, in den Erinnerungen.
     Ein Schauer lief über ihren Rücken. Bei Wodan, diese schreckliche Angst!
    Sie machte einen zaghaften Schritt, dann noch einen und einen weiteren. Als sie sich umsah, hatte die Angst Gestalt bekommen.
     Bisher war sie ein junger Krieger gewesen, der sich mit wildem Geschrei selber Mut machte. Jetzt war aus der Angst ein Römer
     geworden, ein schwer bewaffneter, rachedurstiger, unbarmherziger Römer. Jeder von denen, die sich an den Gladiatorenkämpfen
     ergötzen wollten, konnte ihre Angst sein.
    Die Tore öffneten sich nun, die Wärter erhoben sich vom Boden, richteten sich auf, klopften sich den gefüllten Leib. Ihre |10| Waffen klirrten, sie hörte sie lachen. Ob auch die Todgeweihten in den Katakomben es hörten? Dann wussten sie: Ihr erster
     Schritt war getan. Das Entsetzen war nicht mehr aufzuhalten.
    Sie sah, wie ein vornehmer Römer, der zu Fuß unterwegs war, einen Händler grob zur Seite schlug, der ihm Feigen anbieten wollte.
     Während der arme Kerl noch damit beschäftigt war, die Früchte aus dem Staub aufzusammeln, schlug der Mann noch einmal zu.
    «Zur Seite, elendes Weib!«, schrie er sie an. Aber zum Glück traf er sie nicht mit aller Härte, seine flache Hand prallte
     an ihrer Schulter ab.«Dein Obst interessiert nur die Maden.«
    Erschrocken wich sie zurück. Sie hatte ihm nichts anbieten wollen. Hermut hatte ihr mit voller Absicht Früchte auf den Karren
     geladen, die schon seit Tagen nicht mehr frisch waren. Sie durfte nicht Gefahr laufen, das Interesse von Käufern zu wecken.
     Nein, sie wollte nur hier sein, ohne gefragt zu werden, warum sie sich vor dem Amphitheater herumtrieb.
    »Er wird gegen einen weißen Löwen kämpfen!«, hörte sie einen Mann rufen, der einen dicken Bauch unter seiner weißen Tunika
     verbarg. Er versetzte einem mageren Jungen, der sich vor ihm in den Staub warf, einen Tritt. »Dein Vater soll seine Schulden
     bezahlen, wenn er ein freier Mann bleiben will.«
    Er beachtete nicht das Gestammel des Jungen, der versuchte, den Saum der weißen Tunika zu küssen, sondern trat auf einen eleganten
     Römer zu, um ihn zu begrüßen. »Salve, edler Marcus!«
    Sie drückte sich in den Schatten der Arkaden, als wollte sie ihr Obstangebot vor der Sonne schützen. Die beiden Männer, die
     an ihr vorübergingen, beachteten sie zum Glück nicht.
    »Glauben Sie, dass er eine Chance hat gegen den weißen Löwen?«, fragte der eine.
    Der andere schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Die Frage ist nur, ob der Daumen des Kaisers nach oben oder nach unten zeigen
     wird.«
    »Nach unten!«, bekräftigte der erste. »Dieser blonde Hüne wird von allen gehasst. Vom Kaiser und ganz besonders von |11| der kaiserlichen Familie. Man wird dafür sorgen, dass er keine Chance hat.«
    In diesem Moment erblickte sie ihn. Er trug einen wollenen Umhang wie sie. Beide sahen sie aus wie Bauersleute, die bei Sonnenaufgang
     auf ihren Feldern geerntet hatten.
    Sie griff nach ihrem Karren und machte Anstalten, sich ihm unauffällig zu nähern. Aber seine Augen warnten sie. Sofort blieb
     sie stehen, beugte sich über ihre Melonen und betastete sie, als wollte sie prüfen, welche von ihnen noch frisch genug war,
     um sie anzubieten.
    Zwei Männer blieben in ihrer Nähe stehen. Die Wärter, die gern den Gesprächen lauschten, die von Mitgliedern der römischen
     Gesellschaft geführt wurden, traten ein paar Schritte näher. Für eine armselige Obstverkäuferin hatten sie zum Glück keinen
     Blick. Sie sahen nicht, dass sie die Gelegenheit nutzte, sich mit ein paar vorsichtigen Schritten dem Eingang der Katakomben
     zu nähern.
    Die beiden Römer verschränkten die Arme vor der Brust und schienen sich auf eine ausgedehnte Plauderei einzustellen. Beide
     trugen sie Tuniken, die mit vielen Perlen und feinen blauen Fäden bestickt waren, und Schuhe aus Ziegenleder.
    »Wir brauchen
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