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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen
Autoren: Aufbau
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bis Fuß abwaschen,
     wenn die Eiszapfen von den Bäumen hingen.
    Thusnelda hatte ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen und einem energischen Kinn, das durch ein Grübchen geteilt wurde.
     Wenn sie lachte, dann strahlten ihre Augen besonders blau unter den dunklen Brauen, die all dem Hellen, was sie umgab, einen
     Teil des Lieblichen nahm, das durch ihre blasse Haut und ihre blonden Locken entstand. Ihre kräftigen Brauen verrieten dem
     aufmerksamen Betrachter, dass hinter der anmutigen Gestalt der jungen Frau viel Energie und Kraft steckte.
    Schaudernd stieg sie in den Waschbottich. »Segimund sagt, in Rom wird in warmem Wasser gebadet.«
    Wieder seufzte Inaja. »Warmes Wasser! Herrlich muss das sein!« Dann aber schien ihr einzufallen, dass etwas anderes von ihr
     erwartet wurde: »Was für ein verweichlichtes Volk! Und was Euren Bruder Segimundus angeht, Herrin – wisst Ihr, was er mich
     bei seinem letzten Besuch in der Heimat gefragt hat?«
    »Ja, ich weiß es, Inaja!« Lachend unterbrach Thusnelda ihre Dienstmagd. »Er hat dich gefragt, ob unsere Gänse auch mit Feigen
     gemästet werden. Du hast dich oft genug darüber gewundert.« Sie schlug die Arme um den Oberkörper, um das Frieren zu unterdrücken.
    »Und seine Mahlzeiten in Rom würden mit sanftem Flötenspiel untermalt, hat er erzählt.« Inaja griff nach einem Stück Leinen
     und tauchte es ins Wasser.
    »Und die Römer halten uns für schmutzige, ungepflegte Barbaren«, ergänzte Thusnelda. »Fang endlich mit deiner Arbeit an, Inaja,
     sonst wünschte ich mir, sie hätten recht.«
    |21| Gehorsam begann die Dienstmagd, ihre Herrin abzuwaschen, wie sie es jeden Morgen tat. Und wie jeden Morgen beklagte sie ausgiebig
     Thusneldas schlanken Körper. »Wie soll Euer Verlobter Gefallen an Euch finden, wenn so wenig an Euch dran ist? Der Bauch,
     die Brüste, die Hinterbacken – nichts ist so, wie es einem Semnonenfürst gefällt.«
    »Woher weißt du, was ein Semnonenfürst von einer Frau erwartet?«, fragte Thusnelda.
    »Das, was allen Männern gefällt«, erklärte Inaja mit großer Bestimmtheit. »Viel weißes Fleisch!«
    Sie selbst hatte all das zu bieten, was angeblich eine Frau für einen Mann begehrenswert machte. Inaja besaß üppige Brüste,
     eine schmale Taille und ausladende Hüften. Große Augen, von dichten langen Wimpern bekränzt, funkelten in ihrem runden, pausbäckigen
     Gesicht, darüber kringelten sich rote Locken. Die Knechte im Hause waren allesamt in Inaja vernarrt. Sie jedoch hatte ihre
     Gunst noch nicht verschenkt. Wenn Thusnelda sie fragte, wann sie heiraten und einen eigenen Hausstand gründen wolle, gab Inaja
     zur Antwort: »Ich kann Euch doch nicht allein lassen, Herrin. Niemand kann Euch die Haare so flechten wie ich.«
    Tatsächlich war die Dienstmagd der Fürstentochter treu ergeben. Ihre große Hoffung war, nach Thusneldas Hochzeit in ihren
     Diensten bleiben zu dürfen. Erst dann wollte sie sich in Thusneldas neuem Haushalt nach einem Ehemann umsehen.
    Sorgfältig mischte Inaja die Seife aus Talg und Asche. »Die sorgt dafür, dass Eure Haut weiß bleibt. Das wird Eurem Verlobten
     gefallen.«
    »Mir ist es egal, ob ich Aristan gefalle. Ich will ihn ja nicht heiraten. Mein Vater will es.«
    »Der Fürst weiß, was gut für Euch ist.« Inaja war elternlos und beneidete alle Frauen, die unter dem Schutz eines starken
     Vaters standen. »Für eine Fürstentochter ist nur ein Fürst der richtige Gemahl.«
    Thusnelda antwortete nicht. Schweigend ließ sie sich von |22| Inaja waschen und in wollene Tücher hüllen. Dann setzte sie sich auf einen hölzernen Schemel, damit Inaja ihr die langen blonden
     Haare kämmen und flechten konnte. Sie hielt die Augen geschlossen, um der Dienstmagd zu zeigen, dass sie nun keine Unterhaltung
     mehr führen wollte.
    Inaja, die ihre Herrin beinahe so gut kannte wie sich selbst, verstand sofort. Schweigend erledigte sie ihre Arbeit, obwohl
     die Stille sie bedrückte. In germanischen Häusern gab es normalerweise keine Räume, in die man sich zurückziehen konnte, keine
     Stille, kein Alleinsein. Inaja war in einer winzigen Kate aufgewachsen, die aus einem einzigen Raum bestand, den sich Menschen
     und Vieh teilten. Die Häuser wohlhabender Bauern bestanden aus zwei Teilen – dem Wohn- und Schlafbereich aller Menschen, die
     in diesem Haushalt lebten, und von ihm abgetrennt der Stall für das Vieh. Im Hause des Germanenfürsten Segestes, Thusneldas
     Vater, jedoch gab es mehrere
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