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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition)
Autoren: Ben Worthmann
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dieses Messer zu fassen, das noch auf der Spüle, weil ich damit Tomaten geschnitten hatte. Wissen Sie, ich wollte Mozzarella mit Tomaten machen...”
    Ihre Stimme brach, sie räusperte sich ein paarmal und fuhr fort:
    “ Und dann..irgendwo habe ich gehört oder gelesen, man müsse ihnen das Knie zwischen die Beine rammen, und das tat ich dann, und er trat einen Schritt zurück und krümmte sich so ein bisschen nach vorn, und da habe ich ihm das Messer....”
    Abermals machte sie eine Pause.
    “ Er ging noch einen oder zwei Schritte, bis zur Tür, und dann brach er zusammen, er fiel auf den Rücken, es gab einen schrecklichen Rumms, und dann lag er nur noch da....”
    Sie begann erneut in ihrer Handtasche zu kramen und holte eine Schachtel Zigaretten hervor. Dann fiel ihr ein, dass sie einen Aschenbecher und ein Feuerzeug brauchte und sie stand auf und ging nach nebenan, um beides zu holen. Er betrachtete ihre Bewegungen und hatte dabei das Bild ihres nackten Körpers vor Augen, den er vorhin gesehen hatte. Vorhin? Es kam ihm vor, als sei seither eine halbe Ewigkeit vergangen. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren, aber ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es gerade einmal zwanzig Minuten her war, seit sie taumelnd wie eine Somnambule am Gartentor erschienen war. Es war noch nicht einmal halb eins.
    “ Hier, möchten Sie auch?”, sagte sie und hielt ihm die Packung hin. Er nahm eine, obwohl er sich schon vor Jahren das Rauchen abgewöhnt hatte, zusammen mit dem Trinken. Aber kam es jetzt darauf noch an?
    “ Eigentlich rauche ich nicht. Frank, mein Mann, mag es nicht. Nur wenn er nicht da ist, genehmige ich mir hin und wieder mal eine”, erklärte sie ihm, so als sei das von Wichtigkeit. Die Art, wie sie die Zigarette hielt und den Rauch ausblies, wirkte tatsächlich nicht besonders routiniert.
    “ Und was nun?”, fragte er, wohl wissend, dass es eine eher rhetorische Frage war. Seit er den Toten gesehen hatte, war ihm im Grunde klar, worauf es hinauslaufen würde.

2.
    Als erstes zog er das Messer aus dem Toten. Dann durchsuchte er die Anzugtaschen. Der Frau trug er auf, einen Eimer mit Lauge zu füllen und ihm eine Plastiktüte zu besorgen. Zwischendurch fragte er sie, ob es vom Keller aus einen Durchgang zur Garage gebe, die auf Kellerniveau unter dem Haus lag und ob sie ein Auto da habe oder ob ihr Mann damit unterwegs sei. Sie sagte, ihr Mann besitze einen eigenen Wagen, ihrer stehe in der Garage und, ja, es gebe einen Durchgang.
    Sie hatte ihn noch einmal angefleht, ihr “bitte, bitte” zu helfen und “bloß nicht, bitte bloß nicht” die Polizei zu rufen. Das würde sie einfach nicht aushalten, wenn sie sich vorstelle, was dann auf sie zukäme. Er hatte sei beruhigt, alles spreche dafür, dass sie in Notwehr gehandelt habe, ihr aber dann zusätzlich versichert, dass er die Polizei nicht informieren werde, nein, und das war ihm nicht einmal besonders schwergefallen.
    Er wusste, dass er es nicht über sich gebracht hätte, sie der Polizei auszuliefern, gleich, wie glimpflich das auch hätte enden mögen, wobei er sich eingestehen musste, dass ihn seine tiefergehenden Beweggründe in dieser Hinsicht beunruhigten und irritierten. Normalerweise wusste er, warum er etwas tat. Hätte ihn jetzt jemand nach seinen Motiven für sein Tun gefragt, wäre ihm eine klare Antwort schwergefallen, abgesehen allenfalls davon, dass er die Polizei einfach nicht mochte. Auch wenn er ihre Existenz als Bürger zu akzeptieren hatte, gab es da eine Art instinktive Aversion.
    Die Wurzeln dieser latenten Abneigung lagen vermutlich irgendwo in seinen ziemlich verwegenen, bewegten Jugendtagen, und auch darüber mokierte sich Eva bisweilen, wenn sie ihn einen “Gemütsanarchisten” und “ewigen antiautoritäten Krypto-Revoluzzer” nannte, was ihn seinerseits amüsierte. Weniger amüsant waren hingegen gewisse Erfahrungen mit Vertretern der Staatsgewalt gewesen, die er im Lauf der Jahre nicht nur in Deutschland, aber auch hier, gemacht hatte und die ihn gelehrt hatten, allen amtlichen Autoritäten mit Misstrauen zu begegnen. Im Prinzip hatte er die Grenzen der Legalität stets beachtet, aber es hatte auch Situationen gegeben, beispielsweise in einigen afrikanischen Ländern, in denen er sie bewusst ignoriert hatte, um andere, aber auch sich selbst zu retten. “Wenn ich immer absolut rechtstreu gewesen wäre, hättest du mich wahrscheinlich nicht kennengelernt”, hatte er es gegenüber Eva einmal etwas theatralisch
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