Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
Händen ausgestatteten Fachleuten hier anzukarren, dessen kannst du dir sicher sein.“
    Mish warf einen Blick auf ihre eigenen Schwielenhände, und Jason lächelte. „In Frauen, die zupacken können, bin ich allerdings immer vernarrt gewesen“, sagte er. Mish lächelte und drehte ihr Haar am Hinterkopf zu einem Knoten zusammen. Zwei Schwingen schienen ihr orientalisch geschnittenes Gesicht nun zu umgeben. Jason hielt mit dem Anziehen inne und beobachtete sie.
    „Was soll der Knoten? Du läßt es doch sonst immer offen.“
    Zu seiner Überraschung wurde Mish rot und wandte sich von ihm ab.
    „Jemand hat gesagt, so würde es hübscher aussehen“, erwiderte sie. „Und außerdem hängt es mir dann nicht im Gesicht herum.“
    „Mir gefallt es.“ Er schlüpfte in sein Hemd, gab Mish einen raschen Kuß und ging über die Treppe in die an der Rückseite des Hauses liegende Küche hinunter. Laur gab ihm eine Tasse Tee und bedachte ihn mit einem indignierten Blick. Die beiden kasirischen Köchinnen kicherten.
    „Nun, es freut mich, daß du letztendlich doch noch aufgestanden bist“, sagte Laur leicht säuerlich. „Es ist schon nach Ai’l, und die Leute warten auf dich.“ Sie maß seine Hosen mit kritischen Augen. „Du hast einen Fleck auf der Sitzfläche“, sagte sie dann. „Bald wird man dich ebensowenig vorzeigen können wie die Kinder.“
    Jason grinste und stibitzte ihr ein frisches Brötchen. Laur wollte ihm einen Klaps auf die Finger geben, aber der Schlag ging vorbei. „Jason Kennerin, ich weiß nicht mehr, wie ich das alles schaffen soll. Hör gefälligst auf, mich zu ärgern, schließlich werde ich nicht jünger.“
    „Unsinn“, sagte Jason gelassen, nachdem er die leere Teetasse abgesetzt und das Brötchen in seine Hosentasche geschoben hatte. „Du wirst uns noch alle überleben, Laur na-Kennerin. Wollen wir wetten?“
    Laur drehte sich schnüffelnd um und wandte sich aufgebracht den Köchinnen zu. Jason ging den Hügel hinunter und bewegte sich auf die Stadt zu, die die Flüchtlinge Haven nannten.
    Das Wort Stadt war vielleicht ein wenig zu hochtrabend für die Ortschaft. Dorf würde vielleicht eher zutreffen, dachte Jason, auch wenn das die Wahrheit ein wenig in die Länge zog. Man hatte zwei sich kreuzende Straßen gebaut, und dort, wo sie aufeinanderstießen, Platz für öffentliche Gebäude und Läden gelassen. Dahinter entstanden die Wohnunterkünfte. Da es wegen der Frage, wessen Haus man an welchem Platz zuerst errichten sollte, zu Querelen gekommen war, hatte Jason verfügt, daß zunächst jene Unterkünfte in Angriff genommen werden sollten, deren zukünftige Bewohner für die Gemeinschaft am wichtigsten seien. Anschließend hatte man sich darüber gestritten, auf wen dies zuträfe. Obwohl sich die Auseinandersetzung bis an einen gewissen Punkt fortgesetzt hatte, war man doch sachlich geblieben. Die Flüchtlinge hatten sich mit Feuereifer in die Arbeit gestürzt, denn daß Dr. Hoku wichtig war, leuchtete jedermann ein. Ihr Haus war nun, von einigen Innenarbeiten abgesehen, fast fertig. Die Ärztin war bereits eingezogen und hatte ihre Praxis eröffnet. Während die ungeübten Bewohner der Großen Barriere sich mit den Grundzügen des Zimmerhandwerks, der Metallverarbeitung und der Schmiedekunst vertraut machten, oblag es ihr, sich um die zahllosen verletzten Finger, aufgeschrammten Knie und wunden Rücken zu kümmern. Die alte Frau behandelte jeden mit flinker Kompetenz und ein paar sarkastischen Worten. Als Jason sich dem Dorf näherte, lächelte er ihr zu. Sie stand auf der Schwelle zu ihrer Praxis, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ihr drahtiges, graues Haar mit Wasser naßgemacht und glattgekämmt.
    „Guten Morgen, Dr. Hoku“, rief Jason. „Trotz des schönen Tages nichts zu tun?“
    „Ich warte auf die Schwerverletzten“, erwiderte sie. „Aber untätige Hände sind immer noch besser als ein untätiger Körper.“ Sie maß ihn eingehend und nickte. „Seien Sie froh darüber, denn auf einer neuen Welt ist die Fortpflanzung ein notwendiges Übel.“
    Jason lachte. „Sagen Sie mir bloß nicht, wie Sie das fertigbringen wollen“, sagte er. „Ich will es gar nicht wissen.“
    „Das war zu erwarten“, erwiderte die Ärztin gelassen. Jason umrundete das Haus und winkte ihr noch einmal zu. Vor ihm, auf dem Skelett eines anderen Gebäudes, wimmelte es von Menschen. Unter der Leitung einiger Zimmerleute, die auf Neuheim zur unterprivilegierten Klasse gehört hatten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher