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Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
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nach wie vor auf sie gerichtet hielten.
    «Ich weiß nicht, wo ...»
    «Halt die Klappe!», schrie einer von ihnen. «Und bloß verdammt schön ruhig bleiben jetzt!»
    Und dann rückte sich mit einer schwindelnden Einsicht alles zurecht.
    Einer drückte ihr das Gesicht ins Moos, und sie spürte an ihrem Körper hastig Hände entlangtasten.
    «Du verdammte Mörderin!», zischte jemand über ihr.
    Und sie begriff, dass er ihr ein weiteres Mal zuvorgekommen war.
    Sie hatte getan, was sie sagten. Auf er ganzen Fahrt zur Polizeiwache in Vimmerby hielt sie die Klappe. Als sie aus dem Auto stieg, zuckte ihr ein Blitz ins Gesicht, und als sie wieder sehen konnte, erblickte sie flüchtig einen jungen Kerl mit einer riesigen Kamera.
    «Warum haben Sie das getan?», fragte jemand, und dann wurde sie ins Foyer des Polizeigebäudes gestoßen. Der Raum war voller Menschen in Zivil und in Uniform, die mit Abscheu im Blick jede geringste ihrer Bewegungen verfolgten.
    «Kommen Sie mit!»
    Der Mann, der im Auto neben ihr auf dem Rücksitz gesessen hatte, ging voran und in dem Gedränge bildete sich eine schmale Gasse, um sie durchzulassen. Jemand stieß sie in den Rücken und sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als die schmerzende Rippe sich meldete. Eine Tür ging vor ihr auf und sie trat ein.
    «Setzen Sie sich.»
    Sie zog mit ihren gefesselten Händen einen Stuhl unter dem Tisch heraus und tat, was er sagte. Zwei weitere Männer betraten den Raum und setzten sich auf die andere Seite.
    «Roger Larsson», sagte der eine.
    Sein Kollege drückte auf den roten Knopf eines Tonbandgeräts und nickte, nachdem er kontrolliert hatte, dass das Band lief.
    «Verhör mit Sibylla Forsenström am dritten April neunzehn- hundertneunundneunzig. Es ist acht Uhr fünfundvierzig und außer der Verhörten sind im Raum noch Kriminalassistent Mats Lundell und Kommissar Roger Larsson zugegen.»
    Sie machte den Rücken gerade.
    «Und Sie sind Sibylla Forsenström?»
    Sie nickte.
    «Ich darf Sie bitten, die Fragen laut und deutlich zu beantworten.» «Ja!»
    «Können Sie uns sagen, was sie in Vimmerby machen?»
    Sie schaute auf die Spule, die sich in dem Tonbandgerät drehte. Die Männer sahen sie erwartungsvoll an. Ein kurzes Klopfen und eine Frau mit einem Blatt Papier in der Hand öff-nete die Tür. Sie reichte es dem Mann mit Namen Roger, der es rasch las und dann mit der Schrift nach unten auf den Tisch legte. Dann sah er wieder Sibylla an.
    «Ich habe es nicht getan», sagte sie schließlich.
    «Was haben Sie nicht getan?»
    Die Frage kam schnell. Sie war müde und hungrig, und es fiel ihr schwer, ihre Gedanken zu sammeln. Und nun hatte sie sie selbst auf die richtige Spur gebracht.
    «Es war dieser Ingmar, der hat sie umgebracht.»
    Die beiden Männer auf der anderen Seite des Tisches sahen sich an. Es sah aus, als ob sie ein Lächeln verbergen wollten.
    « Sie meinen Ingmar Ericsson? Den Hausmeister vom Krankenhaus in Vimmerby. Der gestern Abend mit einer zerquetschten Hand und einem mit einer Nagelfeile ausgestochenen Auge in die Notaufnahme kam. Meinen sie diesen Ingmar?»
    Er klang jetzt böse. Sie schaute auf ihre Hände hinunter. Wenn sie die Kette dazwischen verbarg, sahen die Handschellen fast wie zwei Silberarmbänder aus.
    Der Mann mit Namen Roger legte etwas auf den Tisch.
    «Warum hatten Sie das hier in der Jackentasche?»
    Sie hob den Blick und sah, dass er das Kruzifix meinte. Es lag in einer Plastikhülle vor ihr.
    «Das hat er mir gegeben», sagte sie leise. «Er wollte mich umbringen.»
    « Und warum?»
    «Um mir die Schuld zuzuschieben.»
    «Wofür?»
    Sie seufzte.
    «Er hatte ein Verhältnis mit Rune Hedlund.»
    In Roger Larssons Mundwinkel zuckte es.
    «Mit wem, sagten Sie?»
    « Rune Hedlund. Er ist voriges Jahr am fünfzehnten März bei einem Autounfall ums Leben gekommen.»
    Nun sahen sich die beiden Männer wieder an. Keiner sagte etwas, aber sie sah, was sie dachten. Dass sie eine verrückte Frau vor sich hätten. Und vielleicht war es ja auch so.
    Mond hin oder her. Gott war noch nie auf ihrer Seite gewesen.
    «Rufen Sie Patrik an. Er weiß, dass ich es nicht war.»
    «Wer ist Patrik?»
    «Pat...»
    Wie hieß er mit Nachnamen? Sie hatte ihn einmal an seiner Tür gelesen, aber diese Erinnerung war im Moment ausgelöscht.
    «Seine Mutter ist bei der Polizei. Sie wohnt in der Sagargatan. Auf Söder.»
    «Sie meinen in Stockholm?»
    Es klopfte erneut und die Frau brachte ein weiteres Blatt Papier. Zwei neugierige
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