Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flüchtende

Die Flüchtende

Titel: Die Flüchtende
Autoren: Karin Alvtegen
Vom Netzwerk:
Hände vom Gesicht zu nehmen.
    «Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen», sagte er versuchsweise. «Sie haben das Gesetz auf Ihrer Seite.»
    Da zerriss es erneut. Prustend brach sich ein neuerliches Lachen in ihrem Körper Bahn, und sie musste die Hände in die Seite legen, um den Schmerz zu dämpfen.
    Das Gesetz auf Ihrer Seite!
    Sie war soeben Millionärin geworden, sollte aber wegen vier Ritualmorden, die sie nicht begangen hatte, eine lebenslängliche Gefängnisstrafe absitzen.
    Sollte Gott sie jetzt sehen können, hoffte sie, dass er zufrieden war. Nun könnten er und Ingmar sich zurückziehen und glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben. Und ihre Erfolge genießen.
    Das Lachen verebbte. Zog sich so plötzlich zurück, wie es gekommen war, und hinterließ in ihrem Inneren ein Vakuum.
    «Wie sieht es aus?», fragte er vorsichtig.
    Sie sah ihn an. Noch immer liefen ihr die Tränen über die Wangen.
    Einfach beschissen.
    Es war ganz einfach alles beschissen.
    Sie legte sich wieder hin und kehrte ihm den Rücken zu. Er ging zur Tür und klopfte, um hinausgelassen zu werden, war ein paar Minuten fort, dann hörte sie die Tür erneut gehen.
    «Ich bleibe so lange hier», sagte er. «Sie werden bald kommen und Sie zu einem neuen Verhör holen.»
    Und das taten sie auch.
    Wieder verzog sie das Gesicht zu einer Grimasse, als sie sich von ihrem Lager erhob. Kjell Bergström beobachtete sie.
    «Haben Sie irgendwo Schmerzen?»
    Sie nickte.
    «Ich habe einen Stuhl über die Rippen gekriegt.»
    Er stellte keine weiteren Fragen. Vielleicht war es in Vim- merby ja normal, dass man so etwas erlebte?
    Gehorsam streckte sie dem Polizisten, der in der Tür stand, die Hände hin, damit er ihr die Handschellen leichter anlegen konnte, aber er schüttelte nur den Kopf.
    Der Verhörraum war leer, als sie ihn betraten. Sie setzte sich auf den Stuhl, auf dem sie schon einmal gesessen hatte, und Kjell Bergström stellte sich an die Wand.
    Eine Minute darauf kamen sie. Ein unbekannter Mann und eine unbekannte Frau. Bergström trat auf sie zu und reichte ihnen die Hand, doch Sibylla blieb sitzen. Sie vermutete, dass sie nicht vorgestellt zu werden brauchte.
    Drei Augenpaare ruhten auf ihr.
    «Wie geht es Ihnen?», fragte der fremde Mann.
    Sie lächelte ein wenig. Vermochte nicht zu antworten.
    «Ich heiße Per-Olof Gren und arbeite bei der Reichskriminalpolizei in Stockholm. Das hier ist Anita Hansson.»
    Bergström ging wieder zur Wand und die Fremden nahmen ihr gegenüber Platz. Keiner von ihnen schaltete das Tonbandgerät ein.
    «Wenn Sie dazu in der Lage sind, würden wir schrecklich gern hören, was gestern Abend vorgefallen ist.»
    Wenn Sie dazu in der Lage sind? Was ftir eine Taktik war das nun wieder?
    Sibylla seufzte und lehnte sich zurück. Die Gedanken gingen ihr ganz gemächlich im Kopf herum, und trotzdem bekam sie kein Ende zu fassen, an dem sie anfangen konnte.
    «Ich war auf dem Friedhof», sagte sie schließlich und sah auf die Tischplatte nieder. «Ich bin Rune Hedlunds Witwe begegnet und dann bin ich mit diesem Ingmar mitgegangen.»
    «War er das, der Sie geschlagen hat?»
    Sie sah auf und nickte.
    «Ja. Mit einem Stuhl. Ich glaube, ich habe mir dabei eine Rippe gebrochen.»
    «Und die Kratzspuren in Ihrem Gesicht?»
    «Die habe ich mir im Wald geholt. Als ich davongerannt bin.»
    Der Mann nickte und sah Anita an.
    «Sie haben trotzdem Glück gehabt», fuhr er fort.
    Sicher. Mordsmäßiges Glück.
    «Ich habe gehört, Sie kennen Patrik», sagte die Frau plötzlich.
    Sibylla sah sie an. Einem Fünkchen Hoffnung gelang es, die Trostlosigkeit zu durchbrechen.
    « Haben Sie ihn gefunden?»
    «Er ist mein Sohn.»
    Sibylla starrte sie an. Patriks Polizeimutter!
    Nichts im Gesicht der Frau verriet, ob das nun gut oder schlecht war.
    «Er hat heute Morgen, als wir die Nachrichten hörten, alles erzählt.»
    Sibylla glaubte für einen Augenblick zu träumen.
    «Ich habe die Reichskripo verständigt, sobald mir klar war, dass er tatsächlich die Wahrheit sagte. Wenn auch der Name Thomas Sandberg für etwas Verwirrung sorgte.»
    «Ich wollte Patrik da raushalten. Er hatte mir schon genug geholfen. Fand ich», fugte sie hinzu.
    Patriks Mutter nickte. Sie schien das auch so zu sehen.
    «Wir haben heute Morgen Ingmar Erikssons Haus durchsucht», sagte Per-Olof Gren. «Die Überreste lagen im Kühlschrank.»
    Sibylla sah ihn an.
    Ach ja. Ich habe vergessen einzukaufen. Ich fürchte, Sie müssen mit einer schlichten Tasse Kaffee
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher