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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Autoren: Mike Powelz
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einer ehrlichen Ruhe abgelöst wurde.
    „Danke für Deine Liebe“, sagte ihre Tochter und erhob sich. „Ich liebe Dich“, antwortete Minnie.
    In diesem Moment sprang Mimi aus dem Bett. Die Katze trippelte zur Tür und bat mit kratziger Stimme, hinausgelassen zu werden.
    Clara kam ihrer Bitte nach.
    Das Tier mit den wunderschönen, leuchtenden Augen verließ Zimmer 6, ohne sich noch einmal umzusehen.
     
    Als ihre Töchter gegangen waren, klappte Minnie ihr Tagebuch auf. Sie griff zum Füller und schrieb ihre Erkenntnisse, Gedanken und Träume auf.
    Das vollgeschriebene Buch legte sie in ihre Nachttischschublade.
    Sie sah auf ihre Uhr.
    Es war 19.55 Uhr. Nun war sie ganz auf sich gestellt. Sie knipste die Nachtlampe aus, tauchte ein in die Welt der Arien und harrte der Dinge.
    Zum ersten Mal seit vielen Tagen war sie ganz allein in Zimmer 6.
    Doch die alte Dame wusste, dass noch heute ein Besucher kommen würde. Dafür hatte sie gesorgt.
    Ihr Finger lag auf dem Alarmknopf.
     
    Um 22.30 Uhr klopfte es an die Tür. 
    Minnie stellte sich schlafend.
    Sie bemerkte, dass die Klinke nach unten gedrückt wurde und jemand ins Zim mer trat. Die Tür schloss sich. Eine Person beugte sich über ihr Bett.
    „Schläfst Du?“, fragte eine Stimme.
    Die alte Dame schlug die Augen auf. „Nein“, antwortete sie leise. „Ich möchte mit Dir reden.“
    Der Besucher zog sich einen Stuhl an ihr Bett. „Worum geht es?“, fragte er.
    Minnie atmete tief ein. Sie nahm allen Mut zusammen. „Ich weiß jetzt alles“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich habe alle Puzzleteile zusammengesetzt. Ich weiß, wer Du wirklich bist – und was Du getan hast.“
    „So ?“, antwortete die Stimme. „Was soll das sein?“
    „Du hast fünf Menschenleben auf dem Gewissen“, antwortete die alte Dame. „Du hast fünfmal getötet.“
    Die Gestalt im Dunkeln schwieg. Minnie hörte ihren Atem. Während Macbeth lief, fuhr sie fort. „Erzähle mir alles“, sagte ihr Gegenüber.
    „Ich bin zum ersten Mal misstrauisch geworden, als Knut Knopinski im Esszimmer rief, dass er niemals ein Gesicht vergäße. Das hörte sich wie eine Drohung an, die an einen der Anwesenden gerichtet war. Der böse, alte Gefängniswärter hatte jemanden erkannt, der ihm Todesangst einjagte. Es war ein Mörder, den er von früher kannte. Leider konnte er sich nicht sofort daran erinnern, wie der Mensch, den er wiedererkannt hatte, damals ausgesehen hat. Als Knopinski später auf seinem Zimmer war, fiel es ihm wieder ein und er verriet es seiner todkranken Frau. Dieses Gespräch war so laut, dass es jeder hören konnte – auch der Mörder.“
    „Der Mörder?“, fragte die dunkle Gestalt.
    „Genau – derjenige Mensch, den Knopinski vor Jahrzehnten als Gefängniswärter überwacht hatte. Weil sich der alte Mann nicht mehr sicher in Haus Holle fühlte, wollte er nach Hause fahren, um den Beweis zu holen – ein Mörderfoto. Es war das Abbild jenes Menschen, den er überraschenderweise in diesem Haus angetroffen hatte.
    „So?“, fragte der Besucher leise. „Und wie ging die Geschichte weiter?“ Minnie glaubte, ein böses Lauern in der Stimme zu erkennen.
    Sie fuhr mit ihrer Erklärung fort. „Als der nächste Morgen anbrach, blieb Herr Knopinski auf seinem Zimmer – das jedenfalls behauptete seine Frau. In Wahrheit jedoch hatte sich der alte Mann längst aus dem Staub gemacht. Er muss Haus Holle in aller Herrgottsfrühe verlassen haben, um mit seinem Mercedes zu seinem Landsitz zu fahren, wo er das Foto aufbewahrte. Irgendwann im Laufe des Tages hat der Mörder bemerkt, dass Knopinski in Wirklichkeit gar nicht in seinem Zimmer befand. Der Mörder fürchtete sich nun vor der Aufdeckung seiner früheren Identität. Er ergriff sofort Vorsichtsmaßnahmen.“
    „Tatsächlich?“, fragte die Person im Dunkeln. „Welche Art von Vorsichtsmaßnahmen?“
    „Der Mörder rechnete aus, dass Knopinski nicht vor Anbruch der Nacht zurückkommen würde. Schließlich lag sein Landgut fünf Stunden entfernt. Folglich sorgte der Mörder dafür, dass die beiden Nachtschicht-Pfleger pausenlos im zweiten Stock beschäftigt sein würden. Schließlich wollte er im ersten Stock unbemerkt einen Doppelmord begehen. Er musste die alten Knopinskis umbringen und ihnen das Foto entwenden, bevor das alte Ehepaar alles publik machen konnte.“
    „Wie fand die Ablenkung statt?“, fragte Minnies Besucher. „Wie konnte der Täter sicher sein, dass sich die ganze Aufmerksamkeit in jener Nacht auf
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