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Die Flammende

Die Flammende

Titel: Die Flammende
Autoren: Katharina Kristin; Diestelmeier Cashore
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mitnehmen«, sagte er zu seinem Sohn. »Sie werden dich mir wegnehmen.«
    Immiker blinzelte ruhig. »Das werden sie nicht, weil dir etwas einfallen wird, wodurch du sie daran hindern kannst.«
    Dem König einen Beschenkten vorzuenthalten, war Diebstahl, der mit Gefängnis und Geldstrafen geahndet wurde, die Larch niemals würde bezahlen können, und trotzdem wurde er von dem Drang getrieben zu tun, was der Junge sagte. Sie würden ostwärts reiten müssen, in die felsigen Berge an der Grenze, wo kaum jemand lebte, bis sie auf einen Felsbrocken oder ein Gestrüpp stießen, das ihnen als Versteck dienen konnte. Als Jagdaufseher konnte Larch Tiere aufspüren, jagen, Feuer machen und Immiker ein Heim bereiten, das niemand finden würde.
    Immiker war bemerkenswert ruhig angesichts ihrer Flucht. Er wusste, was ein Beschenkter war. Larch nahm an, dass die Amme es ihm gesagt hatte; oder vielleicht hatte auch Larch selbst es ihm erklärt und dann wieder vergessen. Larch wurde vergesslich. Er spürte, wie sich Teile seiner Erinnerung vor ihm verschlossen, wie dunkle Räume hinter Türen, die er nicht mehr öffnen konnte. Larch schrieb das seinem Alter zu, da er genau wie seine Frau nicht mehr ganz jung gewesen war, als diese bei der Geburt ihres Sohnes starb.
    Â»Ich habe schon manchmal überlegt, ob deine Gabe etwas mit Sprechen zu tun hat«, sagte Larch, als sie durch die Hügel ostwärts ritten und den Fluss und ihr altes Zuhause hinter sich zurückließen.
    Â»Hat sie nicht«, sagte Immiker.
    Â»Natürlich nicht«, sagte Larch und verstand nicht, wie er überhaupt auf diese Idee hatte kommen können. »Macht nichts, mein Sohn, du bist ja noch jung. Wir werden es schon herausfinden. Hoffen wir, dass es etwas Nützliches ist.«
    Immiker antwortete nicht. Larch überprüfte die Gurte, die den Jungen vor ihm im Sattel hielten. Er beugte sich vor, um Immikers Goldschopf zu küssen, und trieb das Pferd an.
    Eine Gabe war eine besondere Fähigkeit, die weit über das Können eines normalen Menschen hinausging. Eine Gabe konnte alle möglichen Formen annehmen. Die meisten Könige hatten mindestens einen Beschenkten in ihrer Küche, einen übermenschlich begabten Bäcker oder Kellermeister. Glücklich schätzen konnten sich die Könige mit Soldaten in ihrer Armee, die über die Gabe des Schwertkampfes verfügten. Es gab Beschenkte, die ein unglaublich gutes Gehör hatten, so schnell rennen konnten wie ein Berglöwe, große Summen im Kopf ausrechnen konnten oder sogar spürten, ob Essen vergiftet war. Es gab auch nutzlose Gaben wie die Fähigkeit, den Oberkörper an der Taille einmal rundherum zu drehen oder Steine zu essen, ohne krank zu werden. Und es gab unheimliche Gaben. Manche Beschenkte konnten Ereignisse voraussagen. Manche konnten in den Geist anderer eindringen und Dinge sehen, die sie nichts angingen. Der König von Nander hatte angeblich eine Beschenkte, die durch einen einzigen Blick ins Gesicht eines Menschen sagen konnte, ob derjenige jemals ein Verbrechen begangen hatte.
    Die Beschenkten waren Werkzeuge der Könige und weiter nichts. Man hielt sie für widernatürlich und wer ihnen aus dem Weg gehen konnte, tat das, in Monsea genauso wie in den meisten der sechs anderen Königreiche. Niemand war gerne in Gesellschaft eines Beschenkten.
    Larch hatte diese Ansicht früher geteilt. Jetzt erkannte er, dass das grausam, ungerecht und dumm war, denn sein Sohn war ein normaler kleiner Junge, der anderen zufällig in vielerlei Hinsicht überlegen war, nicht nur, was seine Gabe anging, als was auch immer die sich entpuppen mochte. Für Larch war das nur ein weiterer Grund, seinen Sohn von der Gesellschaft fernzuhalten. Er würde Immiker nicht an den Hof des Königs schicken, wo man ihn meiden und verspotten würde und für den Zweck benutzen, den der König für richtig hielt.
    Sie waren noch nicht lange in den Bergen, als Larch widerwillig einsehen musste, dass man sich dort unmöglich verstecken konnte. Das Problem war nicht die Kälte, obwohl der Herbst hier so rau war wie der Winter auf dem Anwesen des Lords. Es war auch nicht das Gelände, obwohl das Gestrüpp hart und stachelig war, sie jede Nacht auf dem blanken Fels schliefen und es keinen Platz gab, von dem man sich auch nur vorstellen konnte, dass dort Gemüse oder Getreide wachsen würde. Das Problem waren
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