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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve
Autoren: Friedrich Glauser
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ihm die Geschichte erzählt vom Kartenschlagen, daß ich beim Kartenschlagen nämlich immer die Wahrheit sagen muß – was ich dir erzählt hab', grad vorhin, Jakob. Und da hab' ich auch ihm die Karten schlagen müssen. Das war Anfang September vorigen Jahres. Da hatt' ich den Brief schon abgeschickt an die Josepha. Fünfzehn Jahre nach meinem Tod. Nach fünfzehn Jahren konnte die Sophie, die Hex' in Bern, nichts mehr unternehmen und da wollt' ich der Josepha endlich meine Dankbarkeit zeigen. Das hab' ich dem da erzählt. Ich weiß nicht, was er getan hat, aber eines Abends war plötzlich mein Bruder Jakob da und der hat mich gezwungen, mit ihm zu fahren. Ich hätt' bei der Josepha sollen die Fieberkurve holen... Die Fieberkurve, die angegeben hat, wo der Schatz liegt...«
    »Wart jetzt«, unterbrach ihn Studer. »Ich verlange, daß das Gepäck jenes Herrn durchsucht wird!« Und der Wachtmeister deutete auf Pater Matthias.
    Der Pater sprang auf. Er protestierte laut, seine Stimme überschlug sich, manchmal klangen die Worte nach verhaltenem Weinen. Da wurde Studer grob:
    »Sie haben oft genug versucht, uns mit Ihrem Weinen hineinzulegen«, sagte er barsch. »Ich verlange, daß Ihr Gepäck untersucht wird.«
    Der Capitaine gab mit ruhiger Stimme den Befehl weiter.
    Zwei Koffer wurden in den Raum geschleppt. Capitaine Lartigue forderte die Schlüssel. Widerwillig gab sie der Pater. Der eine Koffer enthielt Meßgewänder, Kultgegenstände. Im andern wurde unter einer Kutte und verschiedenen Wäschestücken eine Kassette gefunden. Sie war verrostet. Der Capitaine öffnete sie und schüttete ihren Inhalt über den Tisch.
    Papiere, Papiere... An manchen hingen Siegel. Andere waren in fremdartiger Schrift geschrieben. Eines von diesen griff der Capitaine heraus:
    »Vollgültige Kaufverträge«, sagte er, während er las. »Landkäufe... Vom arabischen Bureau beglaubigt... Ohne Zweifel rechtsgültig. Verkauft an einen gewissen Cleman Alois Victor...«
    »Der bin ich«, sagte der Alte. »Und ich habe die Ländereien meiner Tochter Maria vermacht, die meinen zweiten Namen trägt, und meinem Heimatkanton Bern... Jawohl... Der dort hat sie stehlen wollen!« Und der Alte wies mit dem Finger auf Pater Matthias.
    Der Weiße Vater trat vor.
    »Das Land«, sagte er, »ist mit gestohlenem Geld gekauft worden. Unser Orden hat durch den Kriegsminister den Auftrag erhalten, nach den Papieren zu forschen. Die Mission ist mir übertragen worden, weil ich den Fall zum Teil kannte. Max Koller, der schon jung in unseren Orden eingetreten ist, war mein Freund. Er hat mir viel erzählt. Darum ist es mir auch gestattet worden, mich seiner Papiere zu bedienen. Ich mußte die Fieberkurve, das echte Dokument, auftreiben. Denn dieser Mann da«, Pater Matthias wies auf den Alten, »hat mir erzählt, daß die richtige Fieberkurve zugleich sein Testament enthalte. Mir hat er nur die Kopie geben können. Die Kopie ohne das Testament.«
    »Schweigen Sie!« sagte Studer streng und es war, als ob er, der Angeklagte, plötzlich der Leiter des Prozesses geworden wäre. »Es handelt sich nicht um gestohlenes Geld. Das Geld ist von den Gebrüdern Mannesmann dem Geologen Cleman übergeben worden... Hast du die beiden verraten?« wandte er sich an den Alten.
    Der Mann, der so viele Namen getragen hatte, schüttelte den Kopf. »Sie haben sich selbst verraten«, sagte er.
    »Und die beiden Frauen haben sich wohl selbst umgebracht?« fragte Pater Matthias boshaft. »Und du bist kein Mörder, Collani?«
    Es ging alles so schnell, daß niemand dazwischenspringen konnte. Vielleicht war Studer der einzige, der etwas Derartiges erwartet hatte – aber auch er tat keinen Wank, bis alles fertig war.
    Der alte Mann, der so zerbrechlich aussah, hatte dem Legionär, der neben ihm stand, das Gewehr aus der Hand gerissen, das Gewehr, das oben am Lauf das Bajonett trug. Und zugeben mußte man, daß der Alte sich noch gut an die Lektionen des Bajonettfechtens erinnerte. Denn das Gewehr schwang vor, allein von seiner Rechten am Kolben gehalten, schwang vor – und zurück. Das schwärzliche Eisen war mit einer dünnen Blutschicht überzogen und Pater Matthias lag auf dem Boden. Vorn an der Kutte wurde ein roter Fleck langsam größer und größer...
    »Jetzt bin ich ein Mörder«, sagte der Alte. »Jetzt könnt ihr machen mit mir, was ihr wollt.«
    Aber Capitaine Lartigue zuckte nur mit den Achseln.
    »Es ist wohl die beste Lösung«, sagte er. Und seine vier Beisitzer, die sich
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