Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
Jakob, hat gewollt, ich soll sie besuchen, die Sophie. Denn er hat die Fieberkurve haben wollen...«
    Der Alte stand auf, kam nach vorne. Er stellte sich neben Studer. Und dann sprach er:
    »Hohes Gericht! Ich muß mich verantworten... Der Mann, den ich getötet habe, er trägt die Schuld. Er hat alles wieder aufgeweckt, er hat meinen Bruder in Paris benachrichtigt. Sie haben den Schatz finden wollen – und der Mann, der Priester, hat meinem Bruder die Hälfte versprochen von dem Vermögen. Es gibt viel Petroleum hier herum... Und bald, sehr bald, wird es sehr viel wert sein, das Öl. Der Mann, der da liegt, ist zum Kriegsminister gegangen, er hat es mir selbst erzählt... Er hat das Testament, mein Testament, vernichten wollen... Darum hat er mich aufgeweckt aus dem fünfzehnjährigen Schlaf... Mit den Karten!... Er hat mich nicht in Ruhe gelassen, in Géryville – er hat mich als Hellseher ausgegeben... Verzeihung, hohes Gericht, ich bringe alles durcheinander. Aber ich bin ein alter Mann und mein Schicksal war schwer. Ich habe nur gewollt, daß meine Tochter und meine Heimat meinen Reichtum erben. Ich hab' weiterschlafen wollen. Er hat alles aufgeweckt. Er hat die Sophie besucht und ihr erzählt, daß ich noch lebe... Und er hat den Jakob, meinen Bruder Jakob gezwungen, mich nach Bern zu führen, im Auto. Sie hat mir gedroht, die Sophie, sie hat gesagt, sie will alles der Polizei erzählen, mich verhaften lassen... Aber geweint hat sie auch, die Sophie. Ich habe mit ihr sprechen wollen, sie überzeugen wollen. Ich hab' mich erinnert, wie es in Basel gegangen ist mit der Schnur und dem Gashebel. Auch die Sophie hat Angst gehabt vor dem Gas. Da hab' ich ihr den Lehnstuhl in die Küche geschleift, habe Kaffee gekocht – aber das Fläschchen mit den Schlaftropfen der Josepha hab' ich noch in der Tasche gehabt... Ich hab' in den Kaffee geschüttet, viel, sehr viel... Sie hat nichts gemerkt, denn ich hab' auch Kirsch dazugegossen... Und dann bin ich zum Spaß – ich hab' gesagt, es sei Spaß – auf den Stuhl geklettert und hab' das Schnürli befestigt am Hahnen – wie in Basel. Und die Sophie hab' ich getötet. Sie war eine böse Frau... Sie hat mich ausgesogen... Sie hat der Josepha nichts gegönnt... Sie hat mich verraten wollen. Hohes Gericht! Mon Capitaine! Ich habe nicht lange mehr zu leben. Ich weiß, daß Sie die Marie lieb haben... Und auch du, Jakob«, er wandte sich an Studer, »du bist ein besserer Jakob als mein Bruder... Machet ihr beide, daß die Marie zu ihrem Recht kommt, und meine Heimat auch... Ich habe geschlossen.«
    Es blieb lange still im Raum. Dann stand Marie auf, ging auf ihren Vater zu und führte ihn zum Stuhl, in dem sie gesessen hatte. »Hock ab, Vatter«, sagte sie auf deutsch. Der Alte ging zum Stuhl, setzte sich, lehnte sich zurück.
    »Inspektor Stüdère«, fragte der Capitaine. »Warum habe ich Sie eigentlich verhaften müssen?«
    Studer räusperte sich. Dann erwiderte er:
    »Aus zwei Gründen – Der Pater wäre geflohen oder hätte wenigstens die Kassette versteckt. Denn er hat gemerkt, daß ich Verdacht geschöpft hatte. Und zweitens wollte ich ungestört mit dem alten Mann in der Zelle reden können.«
    »Ja«, sagte Capitaine Lartigue. »Einleuchtend. Aber Sie müssen zugeben, daß Sie Glück gehabt haben. Wäre ich nicht mit Marie verlobt gewesen...«
    »Dann«, sagte Studer, »wäre es mir schlecht gegangen. Aber man muß manchmal auch mit den Imponderabilien rechnen.«
    »Imponderabilien!« sagte Capitaine Lartigue. »Wie gelehrt Sie sprechen!«
    Marie aber ging auf den Wachtmeister zu.
    »Märci, Vetter Jakob!« sagte sie.
    Der kleine Leutnant, der noch immer vor seinen weißen Blättern saß, fragte laut:
    »Was soll ich ins Protokoll schreiben?«
    »Schreiben Sie«, sagte der Capitaine Lartigue, »was Sie wollen. Meinetwegen, daß der Pater schwerverwundet den Posten erreicht hat und hier gestorben ist. Sind alle damit einverstanden?«
    Die vier Beisitzer, der Korporal der Wache und seine vier Mann nickten schweigend.
    »Wo soll er begraben werden?« fragte der Korporal der Wache. Da sagte Wachtmeister Studer:
    »Er hat sich ja sein Grab selbst geschaufelt; bei der Korkeiche, wissen Sie, neben dem roten Mannfelsen...«
    Der Capitaine nickte. Dann fragte er:
    »Eines möchte ich noch wissen. Wo ist Maries Onkel? Der Börsenmakler, bei dem das Mädchen in Paris als Sekretärin angestellt war?«
    Sie schritten auf und ab im freien Raum zwischen den Baracken; die Sonne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher