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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe
Autoren: James King
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Nick und Marcy.«
    »Heißt das, du willst deine Enkelkinder nun doch nicht wiedersehen?«
    »Natürlich will ich sie wiedersehen.« Bill schluckte ein paar Mal, damit er nicht zu schreien anfing. Es klappte nicht. »Aber
     meine eigenen Kinder will ich auch wiedersehen, verdammt! Warum musst du mir immer die Worte im Munde herumdrehen?«
    »Ich muss noch für eine Reise packen, Dad. Falls du nichts dagegen hast, würde ich also gerne zur Sache kommen.«
    Bill hatte durchaus etwas dagegen, hielt aber den Mund.
Endlich mal
, hätte Clare gesagt.
    »Zuhause ist für meine Familie und mich Schaumburg, nicht Woodlake. Wenn du also Clare oder Tyler wiedersehen willst, oder
     Colleen – das ist meine Frau, falls du das vergessen haben solltest –, dann wirst du dich schon hierher bemühen müssen. Wir
     kommen nicht nach Ohio.«
    Bill befürchtete, gleich die Fassung zu verlieren bei dem Versuch, seine Worte und Gedanken wieder zu sortieren, die sein
     ältester Sohn so verdrehte, dass man gar nichts mehr kapierte.
    »Hör doch auf, um den heißen Brei herumzureden«, sagte er.
    »Dein Wunsch ist mir Befehl, wie es so schön heißt. Ist auch wirklich alles in Ordnung bei dir?«
    »Natürlich ist alles in Ordnung. Sagte ich doch schon.«
    »Na fein. Falls du kommen willst, ruf einfach an und sag, wann.«
    Die Leitung war tot.
    Mit Mühe hielt Bill sich davon ab, den Hörer auf die Gabel zuknallen. Was war denn so schlimm gewesen an dem, was er gesagt hatte? Dass er seine Söhne und seine Tochter wiedersehen wollte?
     Womit hatte er diese Scheißart überhaupt verdient? Er griff erneut zum Hörer. Jetzt nur nicht die Konzentration verlieren.
     Marcy konnte ihm helfen. Die musste er anrufen. Wieder auf Spur kommen, zurück in den Sattel.
    Er starrte die Kurzwahltafel an.
    Welche Taste hatte er eben noch mal gedrückt?

2
    April versuchte sich auf den Text zu konzentrieren, damit sie nicht die Zunge ihrer Mutter sehen musste, die ihr wie üblich
     aus dem Mundwinkel hing, während sie schaltete und zum tausendsten Mal in sämtliche Spiegel guckte. Ein Auto einzuparken erforderte
     offensichtlich übermenschliche Konzentration und Vorsicht. April war sich ziemlich sicher, dass sie selbst es besser hingekriegt
     hätte, auch wenn ihre erste Fahrstunde frühestens in einem Jahr anstand. Vielleicht war ihre Mutter auch nur so durch den
     Wind wegen dieses Besuchs, den sie aus irgendeinem Grund offensichtlich nicht allein absolvieren wollte.
    Trotzdem, die Zunge war einfach nur peinlich. Und ekelhaft.
    April drehte ihren iPod voll auf, klappte ihr Notizbuch zu und sah hinüber zum Haus ihres Großvaters. Es war schon eine Weile
     her, seit sie zum letzten Mal hier gewesen war. Sechs Monate? Oder länger? Und irgendwie sah das Haus ein bisschen müde aus.
     Laub bedeckte das halbe Dach und quoll aus den Regenrinnen. Eines der Fallrohre war aus seiner Verankerung gerissen und ragte
     vom Haus weg, als wolle es fliehen.
    Das immerhin verstand April nur zu gut.
    Aus den letzten paar Besuchen hatte sie sich noch mit irgendwelchen Lügenmärchen über Hausaufgaben oder Krämpfe oder was auch
     immer herausmogeln können, aber diesmal hatte ihre Mutter darauf bestanden.
    »Er hat mich noch nie gebeten vorbeizukommen«, hatte sieerklärt. »Ich glaube, er ist einsam. Und ich bin sicher, er würde gerne mal seine Enkeltochter wiedersehen.«
    Das wäre das Neueste
, hätte April am liebsten gesagt. Bei ihren bisherigen Besuchen hatte sie meistens nur ferngesehen, während ihre Mutter saubermachte
     und dem alten Knaben die Ohren vollquatschte. Überhaupt – jetzt, wo sie drüber nachdachte, kam es April nicht so vor, als
     habe ihr Großvater je besonders Interesse gezeigt, überhaupt jemanden zu sehen. Nicht mal seine eigene Tochter.
    Sie spürte einen heftigen Stoß gegen ihren Oberschenkel.
    »Herrgott!«
    April riss sich die weißen Ohrstöpsel aus den Ohren und starrte ihre Mutter zornig an. »Was hab ich denn gemacht?«
    »Nenn mich nicht Herrgott! Ich versuche dich was zu fragen. Und wenn du mich nicht hören kannst, dann nur deshalb, weil du
     dieses verdammte Ding zu weit aufgedreht hast. Willst du vielleicht mit dreißig ein Hörgerät tragen?«
    »Ich hoffe, dass ich so alt gar nicht werde«, antwortete April und rieb sich weiter das Bein. »Was sollte das überhaupt?«
    »Ich will mir nicht die Reifen verschrammen. Bin ich zu dicht dran?«
    April blies die Luft aus den geblähten Backen, rutschte zur Seite und schaute nach.
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