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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe
Autoren: James King
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hatte.
     In ihrer Erinnerung hatte er dabei gelächelt, vielleicht aber auch nicht.
    »Ich bin dabei«, sagte Onkel Nick.
    »Ich auch«, sagte Onkel Mike.
    Nach einer Pause und einem Blick in Richtung April sagte Marcy: »Wir auch.«
    Es folgten noch weitere Konferenzschaltungen, als ihre Mutter und Onkel Nick sich dann um den Umzug ihres Vaters kümmerten,
     der überraschend wenig Gegenwehr geleistet hatte, und den Verkauf des Hauses organisierten. Oft verstand April nicht, wovon
     sie redeten, trotzdem empfand sie es als ihre Pflicht, dabei zu sein, genauso wie es ihre Pflicht war, ihn mindestens einmal
     pro Woche zu besuchen, nachdem er ins Heim gezogen war.Normalerweise schaute sie sogar zweimal pro Woche vorbei, oft, um ihm einen neuen Song zu zeigen, den sie für ihre Gruppe
     Hidden Agenda geschrieben hatte. Die Band war nicht besonders gut. Im Wesentlichen handelte es sich um Freunde von Keith Spinelli,
     der aus Gründen, die April sich selbst nicht genau erklären konnte, in ihrer Gunst von geil auf gähn abgesackt war. Es war
     auch eigentlich nicht
ihre
Band, aber die Jungs mochten ihre Songs.
    Die Proben und die Überraschung, die sie für ihren Großvater organisiert hatte, hatten sie derart in Beschlag genommen, dass
     sie es schon über zwei Wochen nicht mehr geschafft hatte, zum Clifton House zu fahren.
    Jetzt entdeckte sie ihn vor einem der drei deckenhohen Einbauregale, aus der die Bibliothek bestand. Offensichtlich hatte
     er sich von einem der langen Tische einen Klappstuhl geholt und an seinen eigenen Platz mitten im Raum gezogen. Da hockte
     er nun und sah aus wie ein Schuljunge, der nachsitzen musste.
    »Bist du das, Clare?«, rief er.
    April stöhnte auf. In letzter Zeit nahmen die Clare-Tage wirklich überhand. Wahrscheinlich würde sie eine Weile brauchen,
     bis sie ihm wieder klargemacht hatte, wer sie war und wo sie sich befanden. Sie hoffte, dass sie wenigstens heute, an diesem
     besonderen Tag, zu ihm durchdringen würde. Sie wusste, der Tag würde kommen, an dem sie ihn nicht mehr zurückholen konnte.
    Bitte, lieber Gott, lass es nicht heute sein.
    »Ich bin’s, Grandpa. April«, rief sie und ging auf ihn zu. »Wa rum sitzt du denn mitten im Zimmer?«
    Sie beugte sich hinunter und küsste ihn auf die Wange. Erstaunt stellte sie fest, wie weich sie war. Und roch sie da etwa
     Aftershave? Lächelnd richtete sie sich wieder auf, als ihr einfiel, dass er jemanden erwartete. Er lächelte nicht zurück.
    »Wer zum Teufel sind Sie?«, fragte er. »Wo ist Clare?«
    »Nun komm schon, Grandpa. Komm, wir setzen uns an den Tisch. Ich muss dir was zeigen.«
    Sie griff nach seinem Arm. Er wich zurück.
    »Finger weg von mir«, rief er empört.
    April starrte ihn an. Sie hatte immer noch den Arm ausgestreckt, um ihm aufzuhelfen. So etwas war noch nie vorgekommen. Eine
     Zurückweisung, mit der April schlecht klarkam. Sie wusste zwar, dass er eben einen seiner weniger lichten Momente hatte, dass
     er gar nichts dafür konnte. Trotzdem, nach allem, was sie miteinander durchgestanden hatten, nach allem, was sie unternommen
     hatte, damit er an einen anständigen Ort kam, empfand sie sein Verhalten jetzt ganz unwillkürlich als eine bewusste Böswilligkeit.
     Sie zwang sich dazu, es so zu machen, wie sie es bei ihrer Mutter beobachtet hatte: einfach weiterreden, als sei nichts passiert
     und alles beim Alten.
    »Heute habe ich zwei Überraschungen für dich, Grandpa«, sagte sie, anfangs noch mit zitternder Stimme. »Als Erstes guck dir
     das mal an.« Sie griff in ihre Hosentasche, kramte ihre neueste Errungenschaft hervor und hielt sie ihm hin. Er sah sie an,
     als sei er nicht sicher, ob er sie von ihr annehmen dürfe. Schließlich griff er doch zu. Seine Hände kamen April noch dürrer,
     geäderter und zitternder vor als vor zwei Wochen.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Mein Führerschein! Siehst du hier? Das bin ich.« Sie zeigte auf das Foto, das sogar einigermaßen gut geworden war, wie sie
     fand. Wenigstens sah sie nicht aus wie eine Landpomeranze oder ein Alien.
    »Gestern erst gekriegt«, sagte sie, während ihr Großvater den Ausweis stumm musterte. »Der Fahrprüfer hat gesagt, man könnte
     meinen, ich würde schon jahrelang fahren.« April warteteauf eine Reaktion. »Beinahe wäre mir rausgerutscht, tja, streng genommen einmal quer durchs ganze Land und zurück. Aber ich
     wusste nicht, ob es für so was eine Verjährungsfrist gibt.«
    Ihr Großvater starrte weiter den Führerschein
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