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Die Fehler-Raeuber

Die Fehler-Raeuber

Titel: Die Fehler-Raeuber
Autoren: Andreas Schlueter
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haben würden. Etwa wenn ein Mensch, der vor sich hin träumte, plötzlich auf die Gegenfahrbahn ausscherte, weil die Zengel die Lenkung des Wagens zerstört hatten.
    Auch die Menschen an der Bushaltestelle trugen jeder einen Zengel bei sich. Der Bus kam. Johanna stieg ein und begrüßte Söngul, die wie immer in der letzten Reihe des Busses saß. Söngul grinste Johanna breit an: „Ist schon Karnevalszeit?“
    Johanna wunderte sich über die Frage. Dann fiel ihr ein, dass sie noch immer die grüne Maske trug. Gerade wollte sie ihre Maske abnehmen, als sie etwas auf Sönguls Schulter entdeckte. Es sah aus wie eine kleine Turnmatte mit Gesicht. Johanna schrak zurück. Ein Zengel! Johanna war klar, weshalb er diese seltsame Form angenommen hatte. In der dritten Stunde fanden in der Schule die Vorausscheidungen für das große Schul-Turnfest statt. Da Söngul eine hervorragende Turnerin war, besaß sie die besten Chancen, sich für den Endkampf zu qualifizieren. Johanna ahnte, worauf der Zengel wartete. Söngul schwebte in Gefahr!

    „Hey, was guckst du so böse?“, fragte Söngul. „Freust du dich nicht aufs Turnen heute? Dafür fällt Rechnen aus. Ist doch super!“
    „Doch, doch!“, antwortete Johanna halbherzig und beobachtete bang den Turnmatten-Zengel auf Sönguls Schulter, der ihr frech die Zunge zeigte.
    Ohne Verzögerung oder Zwischenfälle erreichte der Bus die Schule.
    Johanna verschlug es den Atem, als sie dort ankam. Ihre Mitschüler aus dem Bus, die sonst trödelten oder rannten, sich jagten und tobten, betraten ruhig und gemäßigt das Schulgelände, als wäre es ein Museum. Keiner der Schüler hatte zerzauste Haare wie sonst nach dem Toben. Im Gegenteil: Jeder Scheitel, jedes Löckchen und Zöpfchen saß an seinem Platz. Kein wirres Strähnchen war zu entdecken. Die Zähne der Schüler blitzten. Die Kleider strahlten förmlich vor Sauberkeit und passten sich falten- und knitterfrei den Körpern an. Johanna kam sich vor wie in einem Werbespot für Frühstücksmargarine. Manche Schüler spielten zwar… nein, sie spielten nicht wirklich, sondern gaben sich behutsam und vorsichtig einem ruhigen Spiel hin, achteten vor allem darauf, dabei keinen Lärm zu machen. Kam ein Lehrer vorbei, unterbrachen sie ihr Spiel und grüßten höflich. Einige Schüler boten sich an, dem Lehrer die Tasche zu tragen. Andere hatten auf der sauberen Bank des frisch gefegten Schulhofes Platz genommen und lasen einige schwer verständliche Texte, die berühmte Dichter vor zwei Jahrhunderten mühevoll auf Papier gekratzt hatten, und sagten diese fehlerfrei, aber teilnahmslos auf. Noch ehe es zur Stunde läutete, klappten sie ihre Bücher zu, erhoben sich von den Plätzen, suchten ruhig und geordnet ihre Klassenzimmer auf, setzten sich brav an ihre Plätze und warteten, bis der Lehrer, natürlich auf die Minute pünktlich, zum Unterricht erschien. Johanna war hundeelend zumute. Noch nie hatte ihre Schule ein derart ödes Bild abgegeben. Sie setzte kurz wieder ihre grüne Maske auf. Jeder Schüler hatte einen riesigen Zengel auf der Schulter, die alle eine Welt ohne Fehler mehr und mehr genossen. Sie warteten sicher nur auf den richtigen Moment, die Kinder in entsetzliche Schwierigkeiten zu bringen. Die ersten Zengel hielten schon ihre Blasrohre bereit, die aussahen wie in kleine Stücke gesägte Stäbe von Gefängnisgittern. So wie Mörfi einen hölzernen Dreizack mit Ösen – den Fehlerwerfer – besaß, trug jeder Zengel ein Blasrohr aus hartem, kaltem Metall bei sich.

    „Fieses Fehler-Gift-Gelee!“, nannte Mörfi das, was die Zengel mit diesen Blasrohren verschossen: schmierige, grell giftgrün qualmende, sumpfbraune Sabberkugeln, die Geräte oder Gegenstände zerstörten und gefährliche Fehler verursachten.

Das fremde Haus
    Mörfi fühlte sich ganz und gar unwohl. Es hatte sich in dem fremden Haus hinter einer Steckdose verkrochen und beobachtete, wie der Schatten-Zengel durchs Schlüsselloch einer Tür verschwand.
    „Verflixter Falschfehler!“, fluchte Mörfi. Es konnte dem Zengel nicht mehr folgen. Das Schlüsselloch war zu hoch.
    Mörfi konnte laufen, gehen oder springen, aber darüber hinaus besaß es – wie alle Mitglieder der Fehlerteufelgattung – noch eine besondere Fähigkeit sich fortzubewegen. Mörfi konnte fehlern: von Fehler zu Fehler springen, wie in einer großen Pfütze von Stein zu Stein. Nur dass die Entfernungen zwischen den Fehlern dabei so gut wie keine Rolle spielten. Ein versehentlich aus
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