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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume
Autoren: Rose Tremain
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der Männer zu befolgen, die ihm geholfen hatten. Denn er wollte unbedingt ihre Liebe und ihre Achtung erringen. Daran hing sein Heil.
    Er sagte nur, er mache sich Sorgen um seine Mutter. Lilian hatte begonnen, wütend mit der schmutzigen Wäsche zu reden, während sie den schweren Kessel umrührte. Sie fragte das Unterzeug, wieso einmal Einseifen und Spülen nicht länger hielt, wieso die Wäsche »den Schmutz so anzog«. Wenn sie sie draußen zum Trocknen aufhängte, schlug sie sie mit einer hölzernen Schaufel. Zu anderen Zeiten saß sie, wahrscheinlich entnervt vom erfolglosen Beschimpfen nie antwortender Kleidungsstücke, still und abwesend in ihrem Sessel und rollte einen Stopfpilz zwischen den Fingern.
    »Wir müssen mehr für sie tun«, sagte Joseph.
    »Was denn noch?«, fragte Harriet.
    Er wusste es nicht. Er wünschte sich, Harriet würde es ihm sagen, würde selbst auf etwas stoßen. Frauen verstanden einander doch, jedenfalls glaubte er das, weil jemand sie verstehen musste, und er wusste, dass er es nicht tat. Nur, dass Frauen sich immerzu sehnten, wusste er. Und dass ihr Sehnen so hartnäckig sein konnte, dass ein Mann sich manchmal zu Dingen hinreißen ließ, die er nie für möglich gehalten hätte. Ihr Sehnen konnte einen Mann zerstören …
    Wonach seine Mutter sich sehnte, war jedoch nicht schwer zu erraten. Sie gab sich gar keine Mühe, es zu verbergen: Siesehnte sich danach, weit weg zu sein. Und daran, wie finster sie die Kattunwände und wie mitleidig sie ihre persönlichen Möbel anblickte, die wie verlegene Gäste auf dem Lehmboden gestrandet waren, sah Joseph, dass sie auch keine Anstalten machte, gegen ihr Sehnen anzugehen; sie überließ sich ihm einfach.
    »Ich weiß nicht, was sonst noch«, sagte er. »Außer dass du ihr eine engere Gefährtin sein könntest. Dass du etwas mehr im Haus sein könntest, statt immer nur draußen …«
    »Joseph«, sagte Harriet. »Ich habe mein bisheriges Leben nur im Haus verbracht. Was glaubst du denn, was eine Gouvernante den ganzen Tag lang macht? Sie sitzt drinnen, liest und schreibt und atmet Stubenluft.«
    »Ich weiß. Aber ich fürchte, Lilian ist zu viel allein.«
    »Wenn mein Gemüsegarten angelegt ist, werde ich mehr mit ihr zusammen sein. Aber du weißt auch, dass sie mir da draußen bei der Arbeit auch helfen könnte, wenn sie wollte.«
    Joseph sagte nichts, drehte sich im harten Bett nur auf die andere Seite. Harriet lag still neben ihm. Über ihr ließ ein sanfter Regen das Blechdach leise singen.
    Sie hatten eine Milchkuh, aber kein Pferd. Joseph sagte, ein Pferd könnten sie sich erst im nächsten Jahr leisten, wenn sie Weizen und Mais und Jungtiere verkauft hätten. Also wurde ein Esel mit großen Scheuklappen vor den Pflug gespannt, und Joseph und der Esel liefen den ganzen Tag lang auf und ab und hin und her, und allmählich wurde immer mehr Tussockgras in schlingernden Reihen untergepflügt.
    Lilian sagte: »Ich dachte, ein Feld hätte gerade und rechteckig zu sein.«
    »Ich versuche, es so gerade und eckig zu machen, wie ich kann«, sagte Joseph.
    »Ich finde, es sieht aus, als wäre es betrunken«, sagte Lilian. »Ich bin froh, dass wir keine Nachbarn haben, die spitze Bemerkungen machen könnten.«
    Joseph gestattete sich ein Lächeln. Er erinnerte seine Mutter daran, dass »wir alles, was wir hier machen, zum ersten Mal machen, aber mit der Zeit lernen wir.«
    »Ich bin keineswegs sicher«, meinte Lilian, »ob ich jemals lerne, auf diesem Herd zu kochen.« Und sie gab dem alten eisernen Kochherd, auf dem gerade ein Wasserkessel heiß wurde, einen verächtlichen Tritt. Er wurde mit schwelender Braunkohle befeuert und dachte nicht daran, die Brotlaibe, die Lilian hineinschob, richtig auszubacken. Er dämpfte sie nur. Sie gingen in dem Blechgefäß gar nicht ordentlich auf und hatten schließlich die Konsistenz von Talg. Wenn man eine Scheibe abschnitt, hinterließ sie auf dem Messer einen traurigen feuchten Film. In Parton Magna war Lilians Brot knusprig und gehaltvoll gewesen, unwiderstehlich für Roderick Blackstone, der es genoss, wenn die Kruste an seinem Gaumen kratzte, und der noch am Morgen seines Todes mächtige, mit Rinderfett bestrichene Scheiben davon vertilgt hatte.
    »An diesem gottverlassenen Ort ist alles schlimmer«, sagte Lilian.
    Harriet verzog sich rasch. Sie verzog sich hinter das Lehmhaus, wo ihr Garten wartete. Es gab dort noch nichts zu sehen, nur ein Rechteck nackter Erde, wo Vögel, die sie nicht kannte,
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