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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition)
Autoren: Jan von der Bank
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Radioübertragung übertönte. Besonders die englischen Segler waren hellauf entsetzt, hatten sich doch Frankreich und Großbritannien bereits seit einem Jahr erfolglos um den Abschluss eines derartigen Paktes mit der Sowjetführung bemüht. Und nun war es Hitler scheinbar im Handstreich gelungen, ihnen zuvorzukommen!
    »Jetzt kann nicht mal mehr der liebe Gott die Polen retten!«, hörte Ole jemanden neben sich sagen. Es war Frederik Sønstebye. Linas Vater.
    Mehr als der Tumult oder die Nachricht selber, deren ganze Tragweite ihm erst später dämmern sollte, erschreckte Ole die Reaktion des Konteradmirals.
    Von Wellersdorff stand reglos neben dem Radioempfänger, sein Gesicht bleich wie das Tischtuch und seine Hand im Kragen seines Hemdes zusammengekrampft, als müsse er sich in einem plötzlichen Anfall von Übelkeit Luft verschaffen. Dann ging er hinaus.

2. Kapitel
SCHWARZ
    In dieser Nacht war das Wasser der Förde von einem undurchdringlichen Schwarz. Schwärzer als in anderen Nächten. Kein Grund zu sehen, keine auch noch so kleine Bewegung in der Oberfläche. Nicht einmal sein eigenes Spiegelbild konnte Ole darin finden, als er draußen auf dem Steg saß und nach unten starrte. Und dennoch sagte ihm die Schwärze des Wassers etwas. Sie war die perfekte Spiegelung seiner inneren Stimmung. Und der dort draußen in der Welt.
    Wie es zu dieser völlig unwahrscheinlichen Annäherung der ideologischen Feinde Deutschland und Russland hatte kommen können, war zunächst niemandem so recht klar. Gerüchte um einen geheimen Zusatz jenes Freundschaftsvertrages machten die Runde, in dem sich der Führer Stalins Einwilligung angeblich durch territoriale Zugeständnisse im Osten erkauft haben sollte. Fest stand jedoch, dass die deutsche Führung mit diesem unerwarteten Coup die Erzrivalen Frankreich und England nicht nur überrumpelt, sondern regelrecht gedemütigt hatte. Und ebenso fest stand, dass es bei diesem Nichtangriffspakt nicht um den darin beschworenen Frieden, sondern um den kommenden Krieg ging. Den Krieg, den Hitler zur Klärung der deutschen Gebietsansprüche gegen Polen zu führen gedachte und in den England und Frankreich wegen ihrer Garantieerklärungen für Warschau zwangsläufig mit hineingezogen würden.
    Die meisten Teilnehmer der Regatta – deutsche wie ausländische – teilten von Wellersdorffs Einschätzung, dass der Ausbruch der Kampfhandlungen nun nur noch eine Frage von Tagen sein würde. Entsprechend niedergeschlagen war die Stimmung.
    Die drei holländischen Starbootmannschaften beschlossen, noch in der Nacht ihre Schiffe abzubauen und so früh es ging am nächsten Morgen abzureisen. Die übrigen anwesenden Teilnehmer, die Wettfahrtleitung und die Vertreter des Clubs trafen sich eine knappe Stunde später im Rauchsalon zu einer Art Krisensitzung, deren Leitung von Wellersdorff als Rear Commodore der Starbootklasse übernahm.
    Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten und die gegenwärtige politische und militärische Aufstellung Deutschlands sorgsam erörtert worden war, einigte man sich darauf, die Regatta nicht gänzlich abzubrechen, sondern lediglich abzukürzen, indem man das für Samstag geplante fünfte Rennen und die anschließende Preisverteilung auf den morgigen Freitag vorzog. Sodann sollten die ausländischen Teilnehmer aus den nicht mit Deutschland verbündeten Staaten, also vor allem die Engländer und Amerikaner, mitsamt ihren Booten möglichst schnell und »geräuschlos« über Dänemark außer Landes gebracht werden. Auch Professor Sønstebye würde auf diesem Wege nach Stockholm zurückkehren. Und mit ihm Lina, so wurde Ole schlagartig klar.
    Die Organisation des heiklen Transportes wollte von Wellersdorf am kommenden Tag persönlich in die Hand nehmen.
    Ole hatte sofort verstanden, was dies zu bedeuten hatte: Sie würden nicht weiter an der Regatta teilnehmen. Und wenn sie zehnmal in Führung lägen.
    Von Wellersdorff sah die Enttäuschung in Oles Augen.
    »Mir bleibt keine andere Wahl. Ich bin vermutlich der Einzige, der in dieser Situation und in der Kürze der Zeit ein geeignetes Schiff für den Transport auftreiben kann«, erklärte er.
    Dann legte er die Hand auf Oles Schulter und fuhr fort: »Nimm’s nicht so schwer, Storm. Mit ein bisschen Glück wird diese Krise nicht lange andauern und du wirst bald wieder bei einer Weltmeisterschaft vorne mitmischen. Vielleicht sogar als Steuermann.«
    Ole nickte. Das unerwartete Lob war nur ein schwacher Trost. Plötzlich
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