Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere
Autoren: Cynthia Webb
Vom Netzwerk:
nächsten.
    Darin fanden sich Dutzende von schwarz eingebundenen Skizzenbüchern. Sie schlug das oberste auf. Auf der linken Seite standen jeweils Tagebucheinträge, rechts waren Lamars Zeichnungen. Sie blätterte rasch durch die Seiten. Zeichnungen vom kleinen Lamar, der vergewaltigt wird. Zeichnungen von Lamar, der allein auf einem Bett sitzt. Zeichnungen von einem Mann, der Lamar schlägt. Eine Zeichnung von Lamar, der durch eine Tür auf ein Paar im Bett blickt. Der Mann war bärtig wie Lamars Vater, das Mädchen hatte lange Zöpfe wie Sherry, als Katherine sie zuletzt gesehen hatte, wie sie in den Fahrstuhl trat, ohne das Rufen ihres Bruders zu beachten.
    Sie war gleichermaßen schockiert und zerfressen von brennender Wut. Eine unerträgliche Traurigkeit legte sich um sie. Lamar war unwiderruflich beschädigt, nicht durch Katherines Schuld, sondern durch das, was sein Vater seiner Schwester angetan hatte, und das, was sein Vater ihm angetan hatte. Und weil er niemanden wie Seth gehabt hatte, der am Fußende seines Bettes saß.
    Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass Lamars Vater als Kind selbst von seinem Vater missbraucht worden war. Dieser Fluss des Leidens hatte kein Ende.
    Sie hörte erneut das Klappern der Schlösser. Lamar war einst ein Opfer gewesen, aber wenn sie jetzt nicht schnell etwas unternahm, würde Jose das nächste sein.

24
    Malone lief durch den Eingangsflur von Hicks' Mietshaus zu Russo zurück. »Hab mit Mendrinos gesprochen, wir haben den Durchsuchungsbefehl. Aber ich kann Katherine McDonald nicht auftreiben. Ihre Nachbarin sagt, sie war nach der Arbeit nicht zu Hause, um mit dem Hund rauszugehen, und sie geht immer mit dem Hund raus, bevor sie irgendwas anderes macht. Mendrinos gefällt es gar nicht, dass McDonald und der Junge gleichzeitig weg sind.«
    »Mir auch nicht. Ich hab durchgerufen, und in ein paar Minuten sind die Truppen hier, aber ich glaub nicht, dass wir auf sie warten sollten.«
    Von irgendwo weiter oben hörte Malone jemanden rufen: »Hallo, Sie da von den Cops!« Malone und Russo sahen sich kurz an und spurteten nach oben. Auf dem Treppenabsatz des vierten Stocks stand die junge Frau mit der Wohnung voller Babys, in jedem Arm ein Flaschenkind. »Er war hier.«
    »Was? Wann?«, schnappte Malone.
    »Sein Lieferwagen stand vorhin in der Gasse hinterm Haus.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    »Nein, aber Wally hat ihn gesehen.«
    »Wer zur Hölle ist Wally?«
    »Kommen Sie.« Sie verschwand in ihrer Wohnung und sie folgten ihr. Sie zeigte auf einen ernst dreinschauenden, etwa fünfjährigen Jungen mit einer dicken Brille.
    Russo hockte sich auf den Fußboden, wo das Kind mit untergeschlagenen Beinen vor einem Haufen Comics saß. »Willst du mir erzählen, was du gesehen hast, Junge?«
    Das ist doch keine Art, mit einem kleinen Kind zu sprechen, dachte Malone und trat näher, um Russo zu helfen.
    »Können Sie mir keine präzisere Frage stellen, Sir?«, kam als Antwort.
    Malone zog sich wieder zurück.
    »Hast du Lamar Hicks gesehen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wieso weißt du das nicht?«
    »Ich kenn seinen Namen nicht. Der Schleicher, der nebenan wohnt«, er deutete in die Richtung von Hicks' Wohnung, »hat mit seinem weißen Lieferwagen hinter dem Haus gehalten. Er hat 'ne Frau aus dem Wagen gezerrt und unten in den Kohlenkeller geschubst. Dann ist er mit Volldampf weggefahren.«
    »Wie sah die Frau aus?«
    »Ich hatte wirklich nicht viel Zeit, sie zu observieren. Das Ganze hat höchstens eine Minute gedauert.«
    Russo ging zum Fenster und sah hinaus.
    »Hast du eine Waffe gesehen?«
    »Nein, aber das heißt nicht unbedingt, dass er keine hatte.«
    »Beantworte einfach nur die Fragen«, knurrte Russo. »Bist du sicher, dass du sie nicht beschreiben kannst?«
    »Sie war weiß. Alle weißen Frauen sehen für mich gleich aus. Sie war alt.«
    »Wann war das?«
    »Ich weiß nicht, vor einer Dreiviertelstunde?«
    »Warum hast du nicht früher Bescheid gesagt?«
    »Ich musste erst mein Buch zu Ende lesen. Außerdem hat mich keiner gefragt, und meine Mama sagt, ich soll mich aus anderer Leute Angelegenheiten heraushalten.«
    Russo unterdrückte den Impuls, den Jungen zu ohrfeigen. Stattdessen wandte er sich ab, ging hinaus und eilte im Trab die Treppen runter.
    Aber Malone war schneller, sie hatte einen Vorsprung und kam noch vor Russo im Keller an. Alles sah genauso aus wie letztes Mal. Russo lief einmal auf und ab und rief laut: »Polizei! Ist hier jemand?«
    Keine Antwort. Malone
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher