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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere
Autoren: Cynthia Webb
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erfüllte Zorn seine Stimme und sein Gesicht. Abrupt stand er auf und stieß dabei den Stuhl zu Boden.
    »Es tut mir leid, Lamar. Wirklich. Ich hatte nicht die Absicht –«
    In seiner Stimme lag jetzt wilde Wut. »Was soll das heißen, Sie hatten nicht die Absicht? Sie hatten nicht die Absicht, uns meine Schwester, die Hure, wegzunehmen? Sie hatten nicht die Absicht, das Leben meiner Eltern zu zerstören? Sie hatten nicht die Absicht, mein Leben zu ruinieren?«
    Sie versuchte verzweifelt, zu ihm durchzudringen. »Ich weiß, es muss schwer für Sie gewesen sein. Ich verstehe, dass …«
    »Sie verstehen gar nichts.« Er kam auf sie zu, und sein Ton und seine Miene entsetzten sie.
    »Ihr Vater …«
    »Sie haben kein Recht, über meinen Vater zu sprechen. Das ganze Thema geht Sie gar nichts an.« Er lachte harsch auf. »Kein Mann will Sie. Sie haben ja nicht mal Kinder. – Wissen Sie, was mit mir passiert ist, nachdem Sie meine Familie zerstört haben? Haben Sie darüber je nachgedacht? Ich wurde nach St. Catherine verfrachtet, außerhalb der Stadt. Und wissen Sie, was da mit mir geschah?«
    Sie suchte hektisch nach den richtigen Worten, nach etwas, was sie sagen konnte, aber er fuhr fort, ohne sie zu Wort kommen zu lassen.
    »Ich war ein magerer kleiner Kerl. Wie Jose hier. Ein Kümmerchen. Und die haben mich vergewaltigt. Zu dritt haben sie mich vergewaltigt. Jeder wusste es, und allen war es scheißegal. Ich gehörte ihnen. Sie konnten mit mir machen, was sie wollten, mich zu allem zwingen, was ihnen beliebte.«
    »Die Betreuer?«
    »Quatsch, nein. Ich hab gehört, dass die auch Kinder vergewaltigt haben, aber in meinem Fall waren es die älteren Jungs. Und wissen Sie was?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte Angst, etwas zu sagen.
    »Als sie mir das antaten, habe ich an Sie gedacht. Die feine Anwältin in ihrem Kostüm mit ihrer Aktentasche. Wer gab Ihnen das Recht? Ich war ein Nichts für Sie. Sie haben sich nicht mal darum geschert, was aus mir wurde. Sie haben mich weggeworfen und sich einen Dreck geschert.
    Dann, eines Tages, fing ich an zu wachsen. Und ich fing mit Hanteltraining an. Und wissen Sie was? Jetzt bin ich der Mann, der sagt, wo's langgeht.
    Eins lernt man da, Ms. McDonald. Da, wo ich gelebt habe, lernt man, wie man mit Leuten umgehen muss. Man schnallt, was Leute hören wollen, und man schnallt, dass man ihnen genau das erzählen muss, egal was es ist. Aber denken kann man, was immer man will. Keiner weiß, was man denkt. Ich habe nie aufgehört, an Sie zu denken, Ms. McDonald. Jedes Mal, wenn ich einen Jungen wie Jose hier sehe, genauso ein dürres kleines Verreckerlein, wie ich es war, muss ich an Sie denken.«
    In drei Schritten war er durch den Raum und direkt vor ihr. Er packte sie unter den Armen und hob sie so mühelos hoch, als wäre sie eine Puppe.
    »Es tut mir leid, Lamar. Ich hab einen Fehler gemacht.«
    Er schlug ihr so fest ins Gesicht, dass sie gegen die Wand flog. Sie kämpfte sich auf die Füße. Er packte ihren Arm und zerrte sie zur anderen Seite des Raums. Mit der freien Hand stellte er den Stuhl wieder auf und stieß sie darauf. Auf dem einen Bord lag eine Rolle Seil, das er verwendete, um ihre Hände hinter der Lehne zusammenzubinden.
    Seine Körperkräfte waren überwältigend. Und sie würde ihn nie genug ablenken können, um irgendwas gegen ihn auszurichten.
    Jose weinte wieder, lautlos, Rotz und Tränen liefen an seinem Gesicht runter.
    Die Zeit raste, bis alles verschwamm. Ihre Zeit, Joses Zeit, lief ab. Lamar wühlte in einer Kiste und zog ein großes Fotoalbum heraus. Das trug er zu ihr und schlug es vor ihrer Nase auf. In den Plastikhüllen steckten Fotografien von Jungen, die an derselben Stelle angekettet waren wie Jose. Das jeweils erste Foto zeigte einen Jungen gefesselt, aber unversehrt. Auf dem zweiten lief dann eine dünne rote Linie über seine Brust. Auf dem nächsten gab es mehr Schnitte. Mehr Blut. Katherine schloss die Augen und weigerte sich, weiter hinzusehen.
    Lamar lachte auf, klappte das Album zu und legte es auf den Tisch. Aus einem Holzkasten daneben nahm er ein Messer und ging zu Jose. Jose krümmte und wand sich. Lamar hielt ihm das Messer vor und legte die Spitze an seine Brust, dicht beim Schlüsselbein.
    »Das ist für mich das Schönste«, sagte er. »Ein langsamer Schnitt nach dem anderen. Dann hör ich auf. Und sie stellen fest, dass das noch schlimmer ist, weil sie wissen, dass ich wiederkomme. Je länger es dauert, desto mehr Spaß
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