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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman
Autoren: Nora Roberts
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brauchte nur noch den letzten Rest Erde abzubürsten, und alles läge deutlich sichtbar vor ihr. »Sieh dir noch einmal die Daten an. Der Umzug von Boston nach Seattle. Weiter weg kann man kaum noch ziehen. Warum? Weil deine Sekretärin, die deine Geliebte war, alle deine persönlichen Angelegenheiten und deine kriminellen Aktivitäten kennt und jahrelang daran teilgehabt hat, dir gerade gesagt hat, dass sie schwanger ist. Aber nicht von dir, sondern von deinem Sohn.«
    »Dorothy Simpson und Richard Carlyle?« Lana blickte Callie entgeistert an.
    »Ein junger Mann, der völlig durcheinander ist, weil er gerade entdeckt hat, dass er nicht der ist, für den er sich gehalten hat«, erklärte Callie. »Er ist verletzt. Und wütend. Dann
begegnet er der älteren, attraktiven Frau. Womöglich weiß er, dass sein Vater ein Verhältnis mit ihr hatte, was den Reiz nur noch erhöht. Dorothy ist zu dieser Zeit Ende zwanzig, Anfang dreißig. Sie hat Carlyle die besten Jahre ihrer Jugend geschenkt und ist es leid, immer nur die zweite Geige zu spielen. Und jetzt kommt der Sohn ins Spiel. Jung, frisch. Und sie kann Carlyle eins auswischen, indem sie mit ihm ins Bett geht.«
    »Wenn wir davon ausgehen, dass Dorothy mit Carlyle geschlafen hat, seit sie achtzehn, neunzehn war, ohne dass sie jemals schwanger wurde, dann war er möglicherweise wirklich zeugungsunfähig«, warf Lana ein.
    »Oder sie waren äußerst vorsichtig und hatten Glück«, sagte Jake. »Logischer ist auf jeden Fall die Annahme, dass Carlyle junior sie geschwängert hat. Sein Vater ist sechzig, und nach allem, was wir wissen, hat er selbst noch nie ein Kind gezeugt.«
    »Richard Carlyle wollte also nicht seinen sterbenden Vater schützen, sondern seine Tochter«, schloss Callie.
    »Gut, also kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Wohin kann Dory geflohen sein?« Jake zeichnete einen Kreis um Richard Carlyles Namen auf der Tafel. »Zu Daddy.«
    »Wenn du diese Theorie der Polizei vorträgst, halten sie dich entweder für verrückt oder für brillant.« Doug stieß geräuschvoll die Luft aus. »Aber wenn sie sich darauf einlassen und Dorothy damit konfrontieren, könnte sie alles leugnen.«
    »Ich werde das Ganze mal zu Papier bringen.« Lana krempelte sich die Ärmel hoch. »Und zwar so objektiv und detailliert wie möglich.« Dieses Mal ergriff sie die leere Kaffeekanne. »Aber dazu brauche ich Koffein.«
    »Okay, okay. Ich setzte ja schon Kaffee auf.« Widerstrebend nahm Callie die Kanne und machte sich auf den Weg in die Küche. Im Wohnzimmer umrundete sie die schlafenden Gestalten. Das Schnarchen konnte nur von Digger stammen, und der Schläfer auf der Liege war wohl Matt. Callie wusste,
dass die beiden Turteltauben sich in ein Zimmer im oberen Stockwerk zurückgezogen hatten, und auch Leo schlief oben. Obwohl Callie im Grunde genommen mit Jake übereinstimmte und niemanden aus dem restlichen Team verdächtigte, lief sie doch rasch nach oben und überzeugte sich davon, dass wirklich alle schliefen. Danach ging sie in die Küche, um Kaffee zu kochen.
    »Sind alle da?«, fragte Jake hinter ihr, als sie das Kaffeepulver abmaß. »Ich habe mir schon gedacht, dass du nachgucken würdest — sonst hätte ich es getan.«
    »Ja, alle schlafen tief und fest.« Sie gab eine Prise Salz auf das Kaffeepulver und stellte die Maschine an. »Wenn unsere Vermutungen stimmen, sind bereits drei Generationen in die Geschichte verwickelt. Und Richard Carlyle wusste auf jeden Fall Bescheid, ob er nun aktiv an dem Babyhandel teilgenommen hat oder nicht. Was er damals herausgefunden hat, war im Grunde viel schlimmer als das, was ich erfahren habe. Seine Eltern — oder zumindest sein Vater — hatten seine Entführung selbst veranlasst. Wie konnte Richard seinen Vater nur decken?«
    Jake trat zu ihr und fuhr mit der Fingerspitze zart über ihren angeschwollenen Wangenknochen. »Du weißt so gut wie ich, dass Umfeld und Gene ein Individuum formen. Richard hat seine Wahl getroffen und ist seinen Weg gegangen.«
    »Ob ich meinen Vater wohl auch gedeckt hätte? Den Vater, den ich kannte und liebte? Ob ich ihn auch gedeckt hätte, wenn ich herausgefunden hätte, dass er ein Monster ist?«
    »Ich kenne die Antwort. Du auch?«
    Seufzend nahm sie frische Kaffeebecher aus dem Schrank. »Ja. Ich hätte es nicht gekonnt. Es hätte mich zerrissen, aber ich hätte es nicht gekonnt.«
    »Du hast gefunden, wonach du gegraben hast, Cal.«
    »Ja. Und jetzt muss ich mich ihm stellen. Ich habe keine
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