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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman
Autoren: Nora Roberts
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auf den Schoß käme, wenn sie jetzt zur Toilette gingen. Lächelnd drückte seine Mama ihm die Hand und versicherte ihm, es würde jetzt nicht mehr lange dauern.
    Er wünschte sich ein Hot Wheels und einen G. I. Joe, eine Garage von Fisher Price, ein paar Matchbox-Autos und einen großen, gelben Bulldozer, wie ihn sein Freund Mitch zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Jessica war noch zu klein, um mit richtigem Spielzeug zu spielen. Sie hatte nur hübsche Kleider und Plüschtiere, richtigen Mädchenkram eben. Mädchen waren ganz schön blöd, aber Babys eigentlich noch mehr.
    Doch Douglas würde dem Nikolaus trotzdem von Jessica erzählen, damit er nicht vergaß, auch für sie Geschenke mitzubringen, wenn er durch den Kamin in ihr Haus kam.
    Mama unterhielt sich jetzt mit jemandem, aber Douglas hörte nicht hin. Das Gerede der Erwachsenen interessierte ihn
nicht. Dann bewegte sich die Schlange der Wartenden erneut weiter, und Douglas konnte durch eine Lücke zwischen den Leuten den Nikolaus sehen. Er war groß – viel größer als in den Zeichentrickfilmen oder den Bilderbüchern, schien es Douglas – und saß auf einem Thron. Zahlreiche Elfen, Rentiere und Schneemänner standen und tanzten um ihn herum und lächelten breit. Nikolaus’ Bart war so lang, dass Douglas sein Gesicht kaum erkennen konnte. Und als er ein dröhnendes »Ho, Ho, Ho!« ausstieß, hatte Douglas das Gefühl, als drückte es ihm direkt auf die Blase. Aber er war jetzt ein großer Junge, ganz bestimmt. Er hatte keine Angst vor Santa Claus.
    In diesem Moment zog seine Mama ihn an der Hand und sagte, er sei jetzt an der Reihe und solle nach vorn gehen. Auch sie lächelte. Douglas trat einen Schritt vor, dann noch einen, und seine Beine begannen zu zittern. Der riesige Niklaus zog ihn auf den Schoß. Frohe Weihnachten! Warst du auch brav?
    Vor Entsetzen wurde es Douglas eiskalt. Die Elfen kamen immer näher, Rudolfs rote Nase blinkte. Der Schneemann wandte seinen großen runden Kopf um und grinste Douglas höhnisch an. Der große Mann in dem roten Anzug hielt ihn fest umklammert und blickte ihn aus winzigen Knopfaugen an.
    Schreiend und strampelnd rutschte Douglas vom Schoß des Nikolaus hinunter und landete unsanft auf dem Boden. Und dann konnte er das Pipi nicht mehr zurückhalten. Menschen umringten ihn und redeten auf ihn ein, aber er rollte sich zusammen und weinte jämmerlich. Dann war auf einmal Mama da, zog ihn an sich und sagte zu ihm, es sei alles in Ordnung. Sie wischte an ihm herum, weil er sich die Nase gestoßen hatte und blutete. Dann küsste sie ihn und schimpfte auch gar nicht, weil er sich in die Hose gemacht hatte. Schluchzend kuschelte Douglas sich an sie. Mama umarmte ihn fest und hob ihn hoch, sodass er sein Gesicht an ihrer Schulter verbergen konnte. Leise Trostworte murmelnd, drehte sie sich mit ihm zu Jessicas Buggy um. Und dann begann sie plötzlich zu schreien und rannte los.
    Douglas klammerte sich an ihr fest und blickte nach unten. Der Buggy war leer.

TEIL I
Die oberste Schicht
    Auf der Oberfläche der Dinge können wir
gehen, wohin wir wollen;
es war immer schon jemand vor uns da.
     
    HENRY DAVID THOREAU

1
    Das Bauvorhaben am Antietam Creek wurde abrupt gestoppt, als die Schaufel von Billy Youngers Bagger den ersten Schädel zutage förderte.
    Für Billy, der schwitzend und fluchend in seiner Baggerkabine gehockt hatte, war es eine unliebsame Überraschung. Ihm war es vollkommen egal, was mit dem Gelände geschehen sollte, und selbst in dieser grauenhaft feuchten Julihitze gefiel ihm nichts besser, als mit der Baggerschaufel in das Erdreich zu fahren und große Brocken herauszuholen. Ein Job war nun einmal ein Job, und Dolan bezahlte gut, fast so viel, dass es Bill für die ständigen Tiraden seiner Frau entschädigte.
    Missy war entschieden gegen die Bebauung des Grundstücks und hatte Billy an diesem Morgen bereits mit schriller Stimme einen Vortrag gehalten, während er versucht hatte, sein Spiegelei und die Würstchen zu essen. Mit ihrem verfluchten Nörgeln hatte sie ihm regelrecht das Frühstück verdorben, dabei musste ein Mann doch etwas Anständiges im Magen haben, wenn er den Rest des Tages schuften sollte. Den ganzen Vormittag hatten ihm die wenigen Bissen, die er herunterbekommen hatte, wie ein Stein im Magen gelegen. Und als ihn jetzt aus der dunklen, fruchtbaren Erde ein schmutziger Schädel mit leeren Augenhöhlen angrinste, schrie der 233 Pfund schwere Billy entsetzt auf, sprang behände wie
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