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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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ist nicht nötig, danke.«
    Wir setzten uns an einen der Tische unter den roten Sonnenschirmen,
     von denen man eine hübsche Aussicht auf die Großbaustelle um das ehemalige
     Heidelberger Hallenbad hatte. Der September schien uns für den verregneten
     August entschädigen zu wollen. Pünktlich zum Monatswechsel war es warm und
     sonnig geworden. Dennoch roch es hin und wieder schon ein wenig nach Herbst.
     Die Speisekarten lagen auf dem Tisch, der Kellner stand bereits erwartungsvoll
     grinsend neben uns. Ich wählte überbackene Pasta mit gemischten Gemüsen. Meine
     Gesprächspartnerin bestellte ihr Risotto mit einer Achtlosigkeit, als hätte sie
     nicht vor, es anzurühren. Seit meine Töchter kein Fleisch mehr aßen, hatte auch
     ich mehr und mehr die vegetarische Küche schätzen gelernt. Es sei gut für die
     Gesundheit, hatte ich gelernt. Und für die Umwelt auch.
    Â»Was ist das nun für eine Geschichte mit Ihrem Sohn?«, fragte ich,
     als der Kellner verschwunden war. »Sie haben Angst, dass ihm etwas zugestoßen
     sein könnte?«
    Â»Ich habe eher Angst, dass er Dummheiten macht.« Mit starrer Miene
     sah sie auf den Tisch. »Peter ist in den letzten Jahren sehr … politisch
     geworden. Er versteht sich nicht sonderlich gut mit seinem Stiefvater. Burkhard
     und er … Die beiden sind wie Feuer und Wasser. Peter entstammt meiner ersten
     Ehe. Er war immer – entschuldigen Sie, aber es fällt mir kein bescheideneres
     Wort ein – ein Musterkind. In der Schule immer unter den Besten. Nie gab es
     Grund zur Klage, nie. Aber dann ist mein erster Mann gestorben, an einer bis
     heute nicht heilbaren Nervenkrankheit. Damals war Peter dreizehn, mitten in der
     Pubertät, und dieser Schicksalsschlag hat ihn sehr getroffen. Er hat seinen
     Vater geliebt. Nein, das trifft es nicht, er hat ihn vergöttert. Später dann
     war er einige Zeit in Therapie und hat sich wieder gefangen. Er ist so
     sensibel. Ich … ich habe … Burkhard und ich haben uns damals schon einige Zeit
     gekannt, und – nun ja. Das war dann der nächste Schicksalsschlag für meinen
     kleinen Peter.«
    Unsere Getränke kamen. Frau Hagenow hatte ein Fläschchen stilles
     Wasser bestellt, ich eine Cola. Wir nickten uns zu, nippten an unseren Gläsern.
    Wieder schlug sie die dunklen Augen nieder. »Anfangs habe ich
     Burkhard meinem Sohn einfach als alten Freund vorgestellt. Wollte ihn schonen.
     Erst später mit der Wahrheit herausrücken. Aber er hat es dann selbst
     herausgefunden. Er hat zufällig ein Telefonat belauscht. Es war meine Schuld.
     Ich dachte, er sei bei Freunden, und war unvorsichtig. An diesem Tag ist zum
     zweiten Mal die Welt für ihn eingestürzt. Und von diesem Tag an hat er Burkhard
     gehasst, bis aufs Blut. Mich seltsamerweise nicht. Niemals. Aber alles, was
     Burkhard sagte, wurde von nun an angezweifelt, hinterfragt, bekämpft.«
    Â»Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn ist sehr eng?«
    Â»Nach dem Tod meines ersten Mannes haben Peter und ich uns
     aneinandergeklammert. Vielleicht enger, als es gut war, ja.«
    Â»Seit wann ist Ihr Sohn verschwunden?«
    Â»Etwa seit acht Wochen. Ich kann es nicht genau sagen.«
    Â»Davor hat er bei Ihnen gewohnt?«
    Â»Aber nein. Peter studiert. Er hat ein Zimmer in Schlierbach. Er hat
     gesagt, er brauche Abstand. Ich habe es akzeptiert, auch wenn es mich
     schmerzte. Am Ende wollte er nicht einmal mehr Geld von mir annehmen. Lieber
     hat er gejobbt, um sich seinen Unterhalt und sein Studium zu verdienen.
     Immerhin haben wir da noch regelmäßig telefoniert, uns hin und wieder auch
     gesehen. Bei einem kleinen Lunch in der Stadt zum Beispiel. Aber jetzt habe ich
     schon wochenlang nichts mehr von ihm gehört. Überhaupt nichts. Sein Handy ist
     aus. Wenn ich ihm auf die Mailbox spreche, antwortet er nicht. Gestern habe ich
     seine Vermieterin angerufen. Die sagte mir, Peter habe sein Zimmer schon zum
     dreißigsten Juni gekündigt.«
    Â»Das wären dann ja schon fast zehn Wochen.«
    Sie nickte mit gesenktem Blick. An manchen ihrer Nägel war der
     blassrosa Lack abgeplatzt.
    Â»Denken Sie, der Konflikt mit seinem Stiefvater hat etwas mit dem
     Verschwinden Ihres Sohnes zu tun?«
    Â»Ich kann es nicht sagen.« Hilflos hob sie die schlanken Hände. »Ich
     weiß ja nichts. Nichts. Nur, wenn die beiden zusammentrafen, dann gab es
    
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