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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Wolfgang Burger
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»H. Guballa, Kriminalrätin«
    Â»War das wirklich nötig?«, fragte ich Sönnchen, die todsicher hinter
     dem Komplott steckte.
    Â»Selbstverständlich ist das nötig«, erwiderte sie patzig. »Frau
     Guballa arbeitet hier, und drum steht jetzt ihr Name an der Tür.«
    Â»Ich habe gedacht, es ist nur, bis Sie einen freien Schreibtisch für
     sie gefunden haben?«
    Â»Sobald wir einen freien Schreibtisch für Frau Guballa gefunden
     haben, kommt der Name ja auch wieder weg«, erwiderte sie spitz und machte sich
     an ihrem Regal zu schaffen, damit sie mir den Rücken zuwenden konnte.
    Die Tür zu meinem Büro stand meist offen, wenn ich nicht anwesend
     war. Heute war sie geschlossen. Um ein Haar hätte ich angeklopft. Meine
     Bürogenossin saß vornübergebeugt an ihrem Laptop und tippte konzentriert. Sie
     tippte mit zehn Fingern und fast so schnell wie Sönnchen.
    Â»Hallo«, sagte ich bemüht jovial. »Wie läuft’s?«
    Â»Nun ja«, antwortete sie, ohne den Kopf zu heben. »Fusselarbeit.«
    Â»Ich dachte, Zielfahndung ist eher Puzzlearbeit?«
    Okay, es war kein Weltklassescherz. Aber ein klein wenig hätten ihre
     Mundwinkel schon zucken können, fand ich. Doch diese Frau war offenbar genauso
     humorlos, wie sie aussah.
    Â»Beides ist richtig«, erklärte sie ernsthaft. »Puzzeln heißt, Teile,
     die auf dem Tisch liegen, richtig zusammenzufügen. Fusseln heißt, die richtigen
     Teile in einem gigantischen Berg von Müll überhaupt erst zu finden.«
    Â»Wonach suchen Sie zurzeit, wenn man fragen darf?«
    Â»Nach Namen. Namen von Menschen, mit denen Judith Landers in der
     Vergangenheit irgendwann einmal zu tun hatte. Alte Schulfreundinnen, erste
     Lieben, Kommilitonen …«
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und nahm mir die Unterschriftenmappe
     vor, die Sönnchen für mich bereitgelegt hatte.
    Â»Hat man das nicht alles schon vor zwanzig Jahren erledigt?«
    Â»Vielleicht nicht mit der gebotenen Gründlichkeit.«
    Â»Weshalb machen Sie das nicht von Wiesbaden aus? Sollte doch
     heutzutage mit Internet und Telefon kein Problem sein.«
    Sie hörte keine Sekunde auf zu tippen. Offenbar schrieb sie etwas
     von einer handschriftlichen Liste ab, die neben dem Laptop lag.
    Â»Sie hätten Ihr Büro gerne wieder für sich alleine?«
    Â»So meine ich das nicht.«
    Endlich kamen ihre etwas zu kurz geratenen Finger zur Ruhe. Sie
     wandte den Kopf, sah mich an.
    Â»Judith ist hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Später hat
     sie hier studiert. Ich möchte mit möglichst vielen Menschen sprechen, mit denen
     sie damals Kontakt hatte. So etwas geht nicht per Telefon. Am Telefon entsteht
     kein Vertrauen. Und ohne Vertrauen erfährt man die wirklich wichtigen Dinge
     nicht. Die kleinen Details, die uns vielleicht einen entscheidenden Schritt
     weiterbringen. Judith war zum Beispiel einige Zeit im Libanon. Warum sollte sie
     dort nicht zufällig eine alte Kindergartenbekanntschaft wiedergetroffen haben?
     So etwas kommt vor.«
    Â»Sie nennen sie beim Vornamen?«
    Sie tippte schon wieder. »Sie ist Judith für mich, weil ich sie inzwischen
     vermutlich besser kenne als jeder andere Mensch auf der Welt. Ihre Mutter
     eingeschlossen.«
    Ich blätterte die Unterschriftenmappe durch und signierte, wo
     Sönnchen ihre gelben Kleberchen angebracht hatte. Helena Guballa tippte und
     tippte. Das leise Geräusch störte mich. Ihre Anwesenheit störte mich. Ihr Atmen
     fand ich zu laut. Ihr gelegentliches Räuspern beunruhigend. Hin und wieder telefonierte
     sie leise. Auch das nervte mich. Vor allem nervte mich jedoch, dass ich meist
     nicht verstehen konnte, worum es bei diesen Telefonaten ging, weil sie so leise
     sprach. Einmal schien sie mit einem Kollegen in Wiesbaden irgendwelche
     Informationsschnipsel auszutauschen. Einmal klang es, als spräche sie mit einer
     Frau, die der Terroristin vor Jahrzehnten einige Monate lang ein Zimmer vermietet
     hatte.

6
    Keith Sneider war schon in der Susibar, als ich einige
Minuten zu spät eintraf. Es war noch früh am Abend. Wir waren bisher die
einzigen Gäste. Der Amerikaner unterhielt sich angeregt mit Susi, die mich
sofort wiedererkannte.
    Ihr herzliches Lachen wirkte echt. »Ich hoffe, Sie kommen nicht
wieder zur Verbrecherjagd zu mir, Herr Gerlach!«
    Ich hängte meinen feuchten Mantel an
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