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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten
Autoren: Scott Westerfeld
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Rand der Badlands.
    Letzte Nacht hatte es nicht geblitzt, jedenfalls hatte sie nichts gesehen. Nur ein einzelnes erstarrtes Flackern hinter den reglosen Wolken. Also hatte Melissa ihren Platz in der Höhe von Wasserspritzern befreit und sich gesetzt.
    Sie hatte ihre Sinne geklärt – um Mitternacht eine leichte Übung – und war über Bixby ausgeschwärmt. Die anderen konnte sie problemlos spüren. Melissa kannte ihre Signaturen und wusste, wie sie der geheimen Stunde begegneten – erleichtert, aufgeregt oder gelassen. Alle hielten sich an ihren gewohnten Plätzen auf, und was sonst noch in der blauen Zeit lebte, versteckte sich, von den Energien des Gewitters eingeschüchtert.
    Eine perfekte Nacht, um Ausschau zu halten.
    Letzte Nacht hatte es nicht lange gedauert. Das neue Mädchen wohnte ganz in ihrer Nähe, oder sie war sehr stark. Melissa fühlte sie deutlich, ihre neue, helle Gestalt vor der leeren Nacht. Melissa schmeckte zuerst eine leichte Überraschung, dann Müdigkeit über lange Phasen, dann war Freude in einem Schwall übergeschwappt und hatte bis weit in die Stunde hinein angehalten. Schließlich war das Mädchen wieder schlafen gegangen. Zweifel belasteten sie nicht.
    Manche Leute hatten es so leicht.
    Melissa war sich nicht sicher, was sie von dem neuen Mädchen halten sollte. Unter ihren schwankenden Gefühlen gab es einen unerwarteten Geschmack, einen sehr metallischen Geschmack, wie bei einer Münze, wenn Melissa sie an die Zungespitze presste. Überall roch es nach zügelloser Energie, aber das lag vielleicht nur an dem Gewitter. Und natürlich steckten alle Neuen voll unbekannter Aromen, unerwarteter Möglichkeiten. Schließlich fühlten sich auch Melissas Freunde alle anders an.
    Jessica Day fühlte sich aber … mehr als anders an.
    Melissa fiel ein, dass sie ihre Kopfhörer aus der Tasche nehmen musste. Sie würde sie brauchen, um den Weg über die Flure zum Klassenzimmer hinter sich zu bringen. Als sie die Straße überquerten, legte Rex eine Hand auf ihren Unterarm, wobei er sorgsam darauf achtete, dass er keine nackte Haut berührte. Wie üblich versuchte er ihr so nah an den Verwirrungen der Schule Halt zu geben.
    Er hinderte sie am Weitergehen, als ein Auto vorbeischoss.
    „Achtung.“
    „Sie ist unheimlich, Rex.“
    „Das neue Mädchen?“
    „Genau. Verrückt, sogar für eine von uns. Vielleicht ist sie sogar schlimmer.“
    „Wie schlimmer?“
    „Normal.“
    Melissa schaltete ihren Discman ein, drehte die Lautstärke auf, um das sich nähernde Dröhnen der Schule abzublocken, und zog ihre Ärmel hinunter, um ihre Hände zu bedecken.
    Rex drehte sie um, als sie die Eingangstür erreicht hatten. Er drückte ihre Schulter und wartete, bis sie ihn ansah. Nur Rex wusste, dass Melissa Lippen lesen konnte.
    „Kannst du sie finden?“
    Sie antwortete bemüht leise – sie konnte Leute nicht ausstehen, die die Musik aus ihren Kopfhörern überbrüllten. „Kein Problem.“
    „Bald“ ,bedeuteten seine Lippen. War das eine Frage oder ein Befehl?, fragte sie sich. Seine Miene und die Besorgnis in seinem Kopf irritierten sie.
    „Warum so dringend?“
    „Ich glaube, da ist Gefahr. Mehr als üblich. Es gibt Zeichen.“
    Melissa runzelte die Stirn, dann zuckte sie mit den Schultern.
    „Keine Sorge. Ich werde ihr folgen.“
    Sie wandte sich von Rex ab, ließ seine Antwort aus, konnte sich nicht konzentrieren, weil die Schule – mit ihrem lärmenden Schwall aus Furcht, Langeweile, Verlangen, fehlgeleiteter Energie, Kummer, Konkurrenz, Cheerleaderpep, unterdrückter Wut, ein bisschen Freude und zu viel Angst – sie schluckte.
     

     

ländliche legenden
    11.34 Uhr morgens
    5
    „Also gut, zehn Sachen, die in Bixby seltsam sind …“
    Constanza Grayfoot schlug eine leere Seite in ihrem Notizblock auf und platzierte ihn geziert auf ihrem Schoß. Die anderen Mädchen in der Bibliothek sahen schweigend zu, wie sie die Nummern eins bis zehn am linken Rand untereinanderschrieb.
    „Mir fällt was ein“, sagte Jen. „Damals im Winter vor zwei Jahren, als sie den Wagen von Sheriff Michaels draußen in den Badlands gefunden haben.“ Sie wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Jessica. „Aber ohne Sheriff Michaels.“
    „Nummer eins: Sheriff Michaels’ Verschwinden“, betonte Constanza sorgsam, während sie notierte.
    „Ich habe gehört, er wäre von Drogendealern umgebracht worden“, sagte Liz. „Sie haben einen geheimen Flugplatz in den Badlands, wo sie Stoff aus Mexiko
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