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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman
Autoren: Marc Levy
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zu Nachtblau, und Millionen Punkte begannen darauf zu funkeln. Durch diese Entdeckung noch motivierter, reisten Adrian und Keira nach China, allen Warnungen und Drohungen der Geheimorganisation zum Trotz.
    Unter deren Mitgliedern aus verschiedenen Ländern, die intern den Namen ihrer jeweiligen Hauptstädte trugen, war auch ein englischer Lord, Sir Ashton, der im Alleingang beschloss, der Reise von Keira und Adrian um jeden Preis ein Ende zu bereiten.
    Warum habe ich sie dazu angetrieben weiterzumachen? Warum
habe ich die Botschaft nicht begriffen, als ein Priester vor unseren Augen ermordet wurde? Warum ist mir der Ernst der Situation nicht klar geworden, und warum habe ich jenem Professor Ivory nicht gesagt, er solle sehen, wie er ohne mich klarkommt? Warum habe ich Adrian nicht gewarnt, dass er von diesem alten Mann - und von mir, der ich behaupte, sein Freund zu sein - manipuliert wurde?
    Als sie sich anschickten, China zu verlassen, wurden Adrian und Keira Opfer eines grausamen Attentats. Auf einer einsamen Gebirgsstraße folgte ihnen ein Fahrzeug und drängte ihren Jeep durch halsbrecherische Manöver in einen Abgrund, und sie stürzten in den Gelben Fluss. Adrian wurde von Mönchen gerettet, die sich im Augenblick des Unfalls am Flussufer befanden, Keiras Leiche aber tauchte nicht auf.
    Als Adrian nach seiner Genesung nach Hause kam, weigerte er sich, seine Tätigkeit an der Akademie erneut aufzunehmen. Tief getroffen durch das Ableben von Keira, suchte er Zuflucht im Haus seiner Kindheit auf der kleinen griechischen Insel Hydra. Adrians Vater war Engländer, seine Mutter Griechin.
    Drei Monate vergingen. Während Adrian mit seinem Kummer über den Verlust der geliebten Person fertig zu werden versuchte, wurde ich halb wahnsinnig vor Schuldgefühlen. Da traf eines Tages ein anonym in China aufgegebenes und an Adrian adressiertes Päckchen in der Akademie ein.
    Darin befanden sich die Dinge, die Keira und er in einem Kloster zurückgelassen hatten, und eine Reihe von Fotos, auf denen ich Keira sofort erkannte. Auf der Stirn hatte sie eine sonderbare Narbe. Eine Narbe, die ich bis dahin nie gesehen hatte. Das teilte ich Ivory mit, der mich schließlich davon überzeugte, es könnte ein Beweis dafür sein, dass Keira überlebt hatte.
    Hundertmal zwang ich mich, den Mund zu halten und
Adrian in Ruhe zu lassen. Doch wie hätte ich ihm so etwas verschweigen können?
    Also reiste ich auf die Insel Hydra, und - erneut auf mein Betreiben hin - flog Adrian voller Hoffnung nach Beijing.
    Wenn ich diese Zeilen schreibe, dann mit der Absicht, sie Adrian eines Tages zukommen zu lassen und ihm meine Schuld zu gestehen. Ich bete jeden Abend, er möge sie lesen und mir das Unrecht verzeihen, das ich ihm angetan habe.
     
    Athen, 25. September
    Walter Glencorse
    Finanzverwalter der Royal Academy of Sciences

ADRIANS HEFT

    Zimmer 307. Als ich das erste Mal hier übernachtet habe, ist mir der atemberaubende Ausblick gar nicht aufgefallen. Damals war ich glücklich, und Glück macht zerstreut. Ich sitze an dem kleinen Sekretär direkt vor dem Fenster, unter mir erstreckt sich Beijing, und ich fühle mich so verloren wie noch nie in meinem Leben. Allein der Gedanke, mich nach dem Bett umzudrehen, ist mir unerträglich. Deine Abwesenheit ist in mich eingedrungen wie ein kleiner Tod, der nicht aufhört, seinen Weg zu graben. Ein Maulwurf im Bauch. Ich habe versucht, ihn zu betäuben, indem ich zum Frühstück reichlich Baijiu getrunken habe, aber selbst der Reisschnaps ist machtlos dagegen.
    Zehn Flugstunden, ohne ein Auge zuzutun; ich muss schlafen, bevor ich mich auf den Weg mache. Eine kurze Zeit der Bewusstlosigkeit, das ist alles, was ich erbitte, ein Moment der Losgelöstheit, in dem ich nicht mehr all die Bilder des hier Erlebten vorbeiziehen sehe.
    Bist du da?
    Du hattest mir diese Frage aus dem Badezimmer gestellt, das war vor einigen Monaten. Heute höre ich nur noch das Geräusch der Tropfen, die aus dem undichten Wasserhahn in das angeschlagene Waschbecken fallen.
    Ich stehe auf, ziehe meinen Mantel über und verlasse das Hotel. Ein Taxi setzt mich am Jingshan-Park ab. Ich durchquere den Rosengarten, laufe über die Steinbrücke, die sich über ein Wasserbecken spannt.
    Ich bin glücklich, hier zu sein.
    Das war ich auch. Wenn ich nur gewusst hätte, welchem
Schicksal wir - nichtsahnend und versessen auf Entdeckungen - entgegeneilten. Wenn man die Zeit anhalten könnte, hätte ich es in genau diesem Moment getan. Wenn
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