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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte
Autoren: Scott Nicholson
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aber sie hatten drei Schlafzimmer und zwei Bäder. Ein ganz normales Haus, in dem man vor dem Bösen sicher war und Ehefrauen nicht verrückt wurden.
    Und wir können die Raten bald abzahlen, in … ehm… vielleicht neununddreißig Jahren.
    Tamara sah sich plötzlich als siebzigjährige, alte Frau mit einem von der Arbeit und täglichen Anstrengung gekrümmten Rücken. Sie sah sich auf einer karierten Couch liegen und konnte riechen, wie ihr Geruch nach alterndem Fleisch die Luft erfüllte. Robert war weg, vielleicht mit einer anderen Frau verheiratet, die keine Visionen und keine Stimmen in ihrem Kopf hatte. Katzen. Sie würde einen Haufen Katzen brauchen, das passte zum Klischee einer alten, verrückten Witwe.
    Sie erschauderte bei dem Gedanken und blickte durch das Fenster in die hell erleuchtete Küche. Ein plötzliches Glücksgefühl durchströmte sie und die Gedanken an das Ende ihrer Existenz fielen von ihr ab wie die Blüten von einem sturmgebeutelten Pfirsichbaum.
    Kevin und Ginger saßen am Küchentisch und waren mit ihren Hausaufgaben beschäftigt. Kevin sah mit seiner schmalen Nase, dem gelockten Haar und den flinken, braunen Augen so sehr seinem Vater ähnlich. Ginger hingegen war eine Miniaturausgabe von Tamara. Ginger hatte auch blondes Haar, aber es war ein bisschen rötlicher als das ihrer Mutter. Sie hatte dieselben abstehenden Ohren wie ihre Mutter und ihr glattes Haar war hinter die Ohren gekämmt. Aber so sehr Tamara ihre abstehenden Ohren auch gehasst hatte, so hatten die ihrer Tochter etwas Entzückendes. Tatsächlich vervollständigten sie Gingers breites, ausdrucksstarkes Gesicht. Und ihre Lippen waren voll und rund, genau von der Sorte, für die jeder Mann alles geben würde, nur um sie einmal küssen zu können.
    Denk nicht schon wieder an die Zukunft. Besser du genießt, was du hast, denn schon im nächsten Augenblick kann dir alles genommen werden.
    So wie ihr der Vater genommen worden war.
    Da sie nicht auf ihre innere Stimme gehört hatte.
    Denk an was Schönes, verdammt.
    Sie hupte, winkte, sprang aus dem Auto und rannte zur Eingangstür, während der Regen in seinem unermüdlichen Rhythmus auf ihren Kopf und ihre Schultern tropfte. Die Kinder erwarteten sie schon im Haus und schlüpften für die erste, stürmische Umarmung unter ihren nassen Mantel.
    »Hallo, ihr Süßen«, sagte sie. »Was habt ihr heute in der Schule gelernt?«
    Kevin hüpfte aufgeregt auf und ab. »Beim Kickball habe ich heute drei Home-Runs gemacht. Wir mussten in der Turnhalle spielen, weil es so stark geregnet hat, und alles, was ich für einen Home-Run machen musste, war den Ball auf die Zuschauertribüne zu schießen. Mann, heute hab ich ihnen gezeigt, wer der Chef der Klasse ist!«
    Kevin hob seine Zeigefinger so, als ob sie zwei Colts wären, tat dann so, als ob er den Rauch von seinen Fingerspitzen wegblasen würde und steckte dann seine imaginären Waffen zurück in ihre Halfter.
    »Ah – wow, du Sportskanone.« Tamara streichelte Gingers weiches Haar. »Und wie war´s bei dir, mein Schatz?«
    Ginger blickte auf und strahlte ihre Mutter mit ihren grünen Augen an. »Ich habe einen Farbstift gegessen.«
    »Ach du meine Güte! Ab mit dir ins Badezimmer und putz dir sofort die Zähne!«
    »Es tut mir leid, Mama«, sagte Ginger, aber Tamara wusste, dass es ihr nicht wirklich leid tat. Sie wartete, bis Ginger im Badezimmer verschwunden war, und lachte dann leise über ihre Tochter.
    »Hat Papa angerufen?«, fragte sie Kevin.
    »Nicht seit wir aus dem Bus gestiegen sind.«
    Tamara schaute auf die Uhr. Zwanzig nach fünf. Roberts Schicht endete um zwei, und die Produktion seiner Sendungen dauerte normalerweise höchstens ein paar Stunden. Sie sollte sich aber trotzdem wirklich keine Sorgen machen. Er war ein großer Junge. Er würde schon kommen.
    Er würde sie nicht im Stich lassen. Nicht so wie ….
    Da war sie wieder, die innere Stimme. Nun, kein Wunder bei diesem grauenhaften Wetter. Und der Gedanke an die Vergangenheit heitert dich kein bisschen auf.
    »Liebling, kannst du aus der Waschküche etwas Kleinholz holen?«, fragte sie Kevin. »Ich mache uns ein schönes Feuer im Kamin und dann gibt´s eine heiße Schokolade für alle.«
    In Vorfreude auf das süße Getränk jauchzte Kevin auf, sprang auf seine Beine und rutschte in seinen Socken über den Eichenboden.
    Tamara stellte den Wasserkessel auf und suchte im Schrank nach den Tassen, als das Flüstern plötzlich wieder da war.
    Shu-shaaa.
    Geschmeidig
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