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Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Die Erlösung der Frauen (German Edition)

Titel: Die Erlösung der Frauen (German Edition)
Autoren: Lucius Forster
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aufs Neue zur Hand und las sie erneut, so als ob er sicher gehen wollte, dass er sich nicht getäuscht hatte.
    Donald hatte nicht die geringste Lust, bloß wegen einer Beerdigung die Strapazen eines Transatlantikfluges auf sich zu nehmen. Sicher, er hatte es Gabriele versprochen. Aber andererseits war es auch sehr unfair von ihr gewesen, sich dieses Versprechen abnehmen zu lassen. Schließlich war sie todkrank gewesen. Einer Todkranken verspricht man doch alles.
    Donald versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Um sich abzulenken, ging er zwei Tage lang arbeiten, obwohl gerade Ballettwoche war. (Er hasste Ballett: Dieses affektierte Gehopse, die Strumpfhosen, Tutus und das Dauergrinsen degradierten diese armen jungen Mädchen zu geschlechtslosen Püppchen.) Aber das schlechte Gewissen holte ihn immer wieder ein. Er hatte sogar regelrechte Alpträume, in denen Gabriele ihn heimsuchte. Zum Beispiel träumte er, sie habe ihren Tod nur vorgetäuscht, um gemeinsam mit ihm auf Barbados leben zu können. Sie standen vor einem strahlend weißen Traualtar mitten am Strand, umringt von Hochzeitsgästen und alles sah so aus, wie diese Hochzeiten von reichen Leuten in Hollywood-Komödien. Plötzlich kam der Hurrikan und wehte alles davon, auch Gabriele und während sie davon flog, warf sie ihm mit glühendem Hass in den Augen vor, der Hurrikan sei seine Schuld.
    Auch wenn Donald solche Träume selbst recht albern fand, so musste er doch in Erwägung ziehen, dass allein sein offensichtlich enormes schlechtes Gewissen Grund genug war, die Sache vernünftig abzuschließen.
    Zum Karfreitag hatte Johann ihn zum Essen eingeladen: Fisch. Donald hatte ihn seit dem gemeinsamen Puffbesuch im Herbst nicht mehr gesehen und er schuldete ihm immer noch Geld für seinen Rückflug aus Griechenland. Sie hatten ein paar Mal telefoniert, aber Johann war zu beschäftigt gewesen für ein Treffen. Seine Eltern hatten beschlossen, das Haus zu verkaufen und da sie ja in Afrika weilten, musste er sich nun um die Renovierung kümmern. Die Villa war eine einzige Baustelle.
    Es tut mir leid, dass du das mit ansehen musst. Die ganze Angelegenheit ist eine einzige Katastrophe. Ich frage dich: Was ist nur mit diesen Hippies los? Meine Mutter behauptet allen Ernstes, dass sie nie wieder zurück will nach Deutschland. Nie wieder! Wo liegt denn bitte das Problem? Was sollen denn diese Parolen? Und jetzt sitze ich seit Monaten hier auf dieser Baustelle rum, hab andauernd Leute im Haus und das obwohl ich Leute nicht mag und schon gar nicht in meinem Haus! Den ganzen Tag höre ich nur kurwa, kurwa, kurwa, eine Schraube fällt runter: Kurwa!, ein Türrahmen ist falsch abgemessen: Kurwa!, es schneit: Kurwa! Ich bin kurz davor umzuziehen. Ich gehe ins Hotel.
    Ich dachte, du wolltest zum Nordpol ziehen.
    Mach ich auch. Aber erst im Herbst. Im Sommer kann man da nicht wohnen. Es wird nie dunkel. Das macht mich nervös.
    Im Esszimmer wurde gerade der Stuck erneuert und das Mobiliar war in Plastikfolie verpackt, daher nahmen sie auf den breiten Ledersesseln im Salon Platz.
    Die Küche ist in einem völlig desolaten Zustand, deshalb gibt es heute nur Austern. Sylter Royal. Ich hoffe, das ist okay für dich.
    Das ist perfekt.
    Gut. Es sind 200 Stück. Wir werden also eine Weile beschäftigt sein.
    Johann brachte mehrere Flaschen Muscadet-Sèvre et Maine, Weißbrot, Zitronen, Tabasco und für jeden ein stilvolles Austernmesser mit Horngriff und einen Edelstahlhandschuh mit Lederband. Dann stellte er einen emaillierten barocken Waschzuber mit Löwenfüßen auf den Boden, brachte zwei riesige Säcke mit Crushed-Ice und schüttete alles hinein. Er drapierte die Weinflaschen liebevoll am Rand, holte die Netze mit den Austern aus dem Kühlschrank und leerte sie über der Mitte des Bottichs aus. Er legte auch ein paar von den Zitronen dazu und ein paar Stängel Dill. Das Ganze sah aus wie ein flämisches Stillleben.
    Als letztes bestückte Johann den Plattenspieler mit Wagners Götterdämmerung, dann setzte er sich und öffnete den Wein.
    Ich höre nur noch Wagner. Die späten Sachen. Ich fühle mich wie der letzte Mann auf einem sinkenden Schiff. Ich will ganz ehrlich mit dir sein. Ich kann dem Leben nichts mehr abgewinnen. Ich warte nur noch auf den Tod.
    Das klingt nicht gut.
    Ach, mach dir keine Sorgen. Ich bin an sich ein recht geduldiger Mensch.
    Apropos Tod: Gabriele ist vor ein paar Tagen gestorben.
    Ist das diese MILF von dir?
    Was für eine MILF?
    Du schaust nie
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