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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche
Autoren: Hera Lind
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bitte nicht so genau hin, ich müsste dort dringend mal sauber machen.« Dort wälzt sich nämlich nur ein Haargummi im Staub, zwei Kinderschokolade-Papierchen und eine Nagelfeile leisten ihm Gesellschaft.
    »Die ganze Angelegenheit ist ja jetzt in diesem Flachbildschirm untergebracht«, stammle ich, vor Peinlichkeit errötend. »Der alte Kasten ist ja weg.«
    Siegfried hört auf, unter den Schreibtisch zu schauen. »Der Fotostick«, nimmt er den Faden wieder auf. »Den müsste man haben.«
    Panisch reiße ich einige Schubladen meines Ikea-Aktenschranks mit dem schönen Namen »Effektiv« auf. Aus den überfüllten Schubladen quellen mir liebe Dinge aus meiner Vergangenheit entgegen wie die lang vermisste Videokamera, achtzig feuchte Allzwecktücher, Gretas letztes Zeugnis, ein schwarzes Kabel mit zwei Steckern, die in keine Steckdose passen, eine Skibrille, eine Blockflöte, ein Prospekt der Atemund Stimmtrainerin Marion Schöller aus Düren, die Bedienungsanleitung für das Vorhängeschloss meines Koffers, ein Salzstreuer und eine Großpackung Tempotaschentücher.
    »Ohne den Fotostick kann ich Ihnen die Kinderfotos natürlich nicht draufspielen«, sagt Siegfried und reißt mich aus meinen Gedanken. »Ist er vielleicht das hier?«
    Mit spitzen Fingern hält er mir ein winziges schwarzes Ding unter die Nase, das ich, ohne zu zögern, meinen Kindern als Zäpfchen in den Hintern gesteckt hätte, wenn es in der Arzneimittelschublade gelegen hätte.

    »Ja«, sage ich, »versuchen Sie mal!«
    »Wo kann man das reinstecken?«, fragt Siegfried.
    So, Äppel. Jetzt kriegst du die verdiente Strafe. Bück dich, Hose runter!
    »Mann, wenn ich das wüsste, hätte ich Sie nicht bestellt!«
    Daraufhin bemüht sich der Mann einmal um den Flachbildschirm herum, macht sich mit leicht zitternden Händen am Hinterteil des Äppels zu schaffen, und schon - wer hätte das gedacht - strahlen mich meine beiden reizenden Kinder an.
    »Ja!«, rufe ich begeistert. »Es hat geklappt! Schauen Sie mal!«
    Siegfried setzt sich wieder gehorsam auf meinen Schreibtischstuhl.
    »Das ist Alex«, moderiere ich stolz. »Der besucht das Sportgymnasium und hat die Hauptfächer Ski und Golf. Übrigens Handicap plus eins«, blähe ich mich auf. »Und ist gerade dabei, zu maturieren«, versuche ich wieder einen Brocken Österreichisch einzustreuen. Dabei habe ich panische Angst, dass ich aus Versehen gesagt haben könnte: »Der ist gerade dabei zu masturbieren.« HABE ich das gesagt? Ich werde rot.
    »Aha«, macht Siegfried und zwinkert nervös. Auf einmal wirkt er schüchtern. »Von Golf verstehe ich nichts.«
    »Ja und das hier ist meine Greta. Voll in der Pubertät. Hat schon …« Ich mache eine vage Bewegung mit der Hand vor der Brust und schlucke. »Sieht man ja.«
    Siegfried kann gar nicht mehr aufhören, nervös zu zwinkern.
    »Ein sehr schönes Bild«, sagt er schließlich mit belegter Stimme. Er räuspert sich. »Und das soll ich Ihnen jetzt als Bildschirmschoner installieren?«

    »Ja.«
    Hastig beende ich unsere fast schon zu innige Zweisamkeit und eile in die Küche. Bestimmt muss sich dieser Mann erst mal sammeln. Und ich muss es auch.
    »Auf dem Fotostick sind aber noch dreihundertachtzig andere Bilder«, teilt Siegfried mir fünf Minuten später mit, als ich mit frischem Kaffee wieder hereinkomme und das atonale Glockengeschepper von halb eins verstummt ist. Siegfried ist mittlerweile völlig in unsere Urlaubsfotos vom letzten Sommer vertieft.
    »Ist ja genial«, schreie ich begeistert und hätte fast den Kaffee verschüttet. » Da sind die also! Dass Sie die gerettet haben! Schauen Sie mal! Da waren wir in diesem supersüßen Hotel am Wolfgangsee! Und da auf dem Ausflugsdampfer … Mann! Wie sehe ich denn da aus, oh Gott, klicken Sie das schnell weg. Nein, dieser Bikini ist ausrangiert, also nicht, dass Sie denken … Ooohhh! Ist das nicht süß? Das Kätzchen! Das war auf der Wanderung auf den Schober, bei der Burgruine Wartenfels. Nein, das Bild ist hier auch noch drauf? Da bin ich gerade nicht geschminkt, blöde rote Flecken, ach, das können Sie löschen.«
    Siegfried starrt auf das unvorteilhafte Foto. Ich trage klobige Wanderschuhe und lehne am Gipfelkreuz des Untersbergs. Man sieht jeden einzelnen Schweißtropfen auf meinem Gesicht.
    »Sind Sie da zu Fuß rauf?«, fragt Siegfried, und ich genieße die Anerkennung, die dabei in seiner Stimme mitschwingt.
    »Klar«, sage ich und mache eine wegwerfende Handbewegung. »Unter zwei
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