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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche
Autoren: Hera Lind
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übernachten?«, und ich sagte stets gütig nickend: »Aber ja, liebe Kinder! Wenn es euch Freude macht und Tonis Mama nichts dagegen hat.« Tonis Mama hatte nichts dagegen. Jedenfalls
nicht in den letzten zwei Jahren. Manchmal frage ich mich, ob es Tonis Mama überhaupt gibt. Greta steckte mir einmal, die Eltern hätten Stress und wären total verspannt. Sie würden sich scheiden lassen und die arme Toni schlagen, und da wollte ich nicht weiter in das Kind dringen.
    Irgendwann blieb Toni einfach. Ich wasche ihre Wäsche mit und füttere sie durch. Und wenn ich mir die Dachrinne da drüben so anschaue, frage ich mich, ob eines der Taubenkinder vielleicht ein Kuckuckskind war. Wir haben uns alle an Toni gewöhnt, sie gehört einfach zur Familie. Auch wenn sie so gut wie nie mit mir redet. Vielleicht ist sie einfach nur schüchtern.
    Ihre Eltern vertrauen mir offensichtlich blind und glauben, dass ich mit ihrer Tochter alles richtig mache. Wie man heutzutage als Mutter alles richtig macht, erfährt man rein theoretisch aus Erziehungsratgebern. Aber meiner Erfahrung nach lauten die Spielregeln für Mütter von heute einfach nur: Klappe halten, einkaufen, aufräumen und nicht nerven.
    Meine beiden Kinder und das Kuckuckskind sind jedenfalls zufrieden, zumindest ist mir nichts Gegenteiliges bekannt. Toni taumelt morgens genauso grußlos und verschlafen an mir vorbei wie meine eigene Tochter. Auch sie vergisst absichtlich das Pausenbrot, lässt sich lustlos zur Schule fahren und knallt wortlos die Autotür hinter sich zu, wenn wir dort angekommen sind. Nach dem Unterricht wirft sie übellaunig ihre Schultasche auf die Küchenbank, verschlingt ihr Mittagessen und äußert sich unflätig über ihre Lehrer und Lehrerinnen - genau wie Greta. Dann aber entspannen sich die runden Mädchengesichter unter ihrer Schminke. Die zahnspangenbewehrten Münder fangen an zu lästern und natürlich zu telefonieren. Man denkt, das Kind führt eine Gabel zum Mund, aber es ist das Handy. Bald danach füllt
sich unsere Küche mit einheitlich gekleideten Jugendlichen - die Jungs mit halb heruntergerutschter Hose, die nur ein Drittel ihres bunten Slips verdeckt. Vermutlich jene Jungs, mit denen vorher am Handy noch wild konferiert wurde.
    Es scheint sich irgendwie herumgesprochen zu haben, dass Gretas Mama zwar eine Deutsche, aber irgendwie »cool« ist, dass ihr Kühlschrank immer voll ist und man in ihrer zentral gelegenen Wohnung prima abhängen kann. Bei uns geht es zu wie im Taubenschlag. Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich wieder aus dem Fenster schaue.
    Bis auf meinen nicht vorhandenen Sinn für Technik und meine chaotische Art und Weise, den Alltag zu bewältigen, komme ich eigentlich gut zurecht. Der Österreicher würde die Gesamtsituation mit einer einzigen Silbe beschreiben: »Passt.«
    Die Kinder reden zwar nicht mit mir, aber ich habe das Gefühl, dass sie glücklich sind. Sie sind hier in Salzburg aufgewachsen und sprechen die hiesige Mundart. Miteinander. Mit mir sprechen sie, falls überhaupt, hochdeutsch. Nicht aus Rücksicht, sondern um mir eindeutig zu verstehen zu geben, dass ich nicht dazugehöre. Ich werde geduldet, mehr nicht. Ich selbst stamme aus einem der finstersten deutschen Spießerflecken - sagen wir vage aus der Nähe von Paderborn (Gott erschuf in seinem Zorn …) - und schäme mich immer noch meiner peinlich-platten Touristensprache, wenn ich hier einkaufen gehe. Am härtesten trifft es mich, wenn ich mich beim Metzger Erlach in der Linzer Gasse extra bemühe und »zwanzig Deka Faschiertes« bestelle, gefolgt von »geh hearst, gib ma no a Sackerl«, und die Verkäuferin mir dann beim Überreichen der Tüte (!) noch einen schönen Urlaub wünscht. Nach solchen Erlebnissen trolle ich mich frustriert unters Dach, wo ich mir und meinen Kindern ein Nest gebaut
habe, und hacke wieder auf meiner Computertastatur herum.
    Doch dieser angebissene Apfel macht mir klar: Mein IQ ist eindeutig unterdurchschnittlich. Wahrscheinlich sollte ich mehr Äpfel essen. Ungeduldig irre ich mit der Maus über den Bildschirm und fühle mich von dem Äppel veräppelt. Er will mir einfach nicht gehorchen.
    Männer wie Jochen würden sich vor Begeisterung über den riesigen Flachbildschirm, in dem die gesamte Technik untergebracht ist, gar nicht mehr einkriegen. Der Begriff »flach« ist irgendwie total wichtig für Männer. Jedenfalls wenn es um Bildschirme geht. Oder um Handys. Die können gar nicht platt genug sein. Bei Frauen ist
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