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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Autoren: Courtney Milan
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vor den Richter zitiert wird, weil sie zu laut gesprochen hat. Keine, bei der der Preis für meine Macht das Schweigen über Sachen ist, die mir lieb und teuer sind.“ Er senkte den Kopf. „Ich will nicht, dass du Kompromisse eingehst. Weniger bist, als du sein kannst. Ich werde dich nicht bitten, dich für mich zu ändern, weil ich erkannt habe, dass ich dich genauso brauche, wie du bist.“
    Jane hob eine Hand an den Mund.
    „Ich brauche keine stille Frau. Ich brauche dich. Jemand Kühnes. Jemand, der nicht zulässt, dass ich tatenlos zusehe. Eine Frau, die es mir in unmissverständlichen Worten mitteilt, wenn ich einen Fehler gemacht habe.“
    Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
    „Ich brauchte dich, um mich aus dem schlimmsten Fehler meines Lebens wachzurütteln. Mich dazu zu bringen, meine Ängste zu erkennen, ins Feuer zu greifen und mir die Kohlen zu nehmen.“
    Seine Stimme war rau.
    „Ich brauche dich, Jane. Und ich liebe dich mehr, als ich mit Worten ausdrücken kann.“
    Hinter ihr machte Genevieve sich bemerkbar. „Ich denke, ich werde besser gehen.“
    Oliver blinzelte verwirrt. „Oh, gütiger Himmel. Miss Johnson, ich habe Sie gar nicht gesehen.“
    Genevieve lächelte. „Miss Genevieve, bitte. Und das ist mir nicht entgangen.“ Sie winkte Jane. „Ich komme später zurück. Mit Papier und Ideen.“ Damit schlüpfte sie aus dem Zimmer.
    Oliver blickte Jane an, verlagerte unbehaglich sein Gewicht, bevor er sich auf den Boden setze. „Es gibt noch etwas, was ich dir erzählen muss.“
    Sie nickte.
    „Du hattest recht, was meinen Mut betrifft. Ich weiß genau, wo ich ihn verloren habe.“ Er atmete scharf aus. „Ich war siebzehn. Mein Bruder war ein Jahr über mir, er war schon nach Cambridge gegangen, und ich war für mein Abschlussjahr allein in Eton. Ich dachte, das sei egal. Aber da irrte ich.“
    Er schloss die Augen.
    „Es gab da einen Lehrer. Er hat Griechisch unterrichtet und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich mehr zu lehren als nur das. Jedes Mal, wenn er hörte, dass ich etwas gesagt habe, hat er mich in der Klasse drangenommen. Er hat mich aufgerufen, vor allen zu übersetzen – Texte, die niemand von uns je zuvor gesehen hatte. Und wenn ich holperig übersetzte, wies er alle darauf hin, wie dumm ich doch sei. Wie blöde. Wie furchtbar viele Fehler ich machte.“
    Er schlang die Arme um sich. „Gegen die anderen Jungen konnte ich mich wehren, zur Not mit den Fäusten, aber einen Lehrer, der sich keinen Übergriff leistete? Ich konnte nichts tun. Im Laufe des Schuljahres wurde es immer schlimmer. Meine Bestrafung war nicht länger ein Bloßstellen. Ich war beileibe nicht der einzige Junge, der in Eton gezüchtigt wurde, und er hat auch nie die Grenze überschritten. Aber als es jeden Tag geschah, jedes Mal, wenn ich etwas sagte …“
    Jane kam und stellte sich zu ihm, setzte sich langsam neben ihn auf den Boden.
    „Alles ist auszuhalten, wenn man sich wehren kann, aber wenn man einfach dasitzen muss und es hinnehmen … Das bricht einen auf eine Weise, die ich nicht erklären kann.“ Er holte tief Luft. „Ich habe eine Entschuldigung nach der anderen dafür gesucht, dass ich stiller wurde. Ich wurde dazu genötigt, dazu gezwungen. Es war nur vorübergehend, ich würde damit aufhören, sobald ich von da fort wäre. Aber tief innerlich habe ich immer die Wahrheit gewusst: Ich war nicht mutig genug, weiterzumachen. Ich habe so gründlich gelernt zu schweigen, dass ich es hinterher nicht wieder rückgängig machen konnte.“
    „Himmel, Oliver.“
    „Es klingt nicht nach viel. Aber sie lehrt uns, eine Erfahrung wie diese. Dass einem übel wird, wenn man den Mund aufmacht. Dass man sich zurückhält.“
    Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, und er wandte sich ihr zu.
    „Ich will nicht, dass du Mitleid mit mir hast“, erklärte er. „Ich will nur, dass du weißt, wie sehr ich dich liebe und bewundere. Weil sie versucht haben, es auch mit dir zu machen, aber du hast dir das nicht gefallen lassen.“
    Sie lächelte. „Sie haben erst die Gelegenheit dazu bekommen, als ich schon neunzehn war. Mir blieb länger Zeit, meine Wesenszüge zu verfestigen.“
    „Als ich dich das letzte Mal gebeten habe, mich zu heiraten, habe ich dich auch gebeten, dich zu ändern.“ Er atmete tief ein. „Dieses Mal kann ich das besser machen. Lass mich derjenige sein, der dich unterstützt. Der glaubt, dass du nicht weniger sein musst. Der zu deiner Großartigkeit beiträgt,
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