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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras
Autoren: Ulrike Schweikert
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Nachtlebens hingaben und nur noch die beiden Bordwachen zurückblieben. Dem Kapitän war der Grund für diesen ungewöhnlichen Wunsch egal, solange es sich für ihn lohnte. Er warf noch einen Blick in die Kammer mit den seltsamen Kisten, die wie Särge anmuteten und über denen der leicht süßliche Gestank von Verwesung, aber auch ein Hauch von Raubtiergeruch hing. Einige der Kisten stammten aus London, die anderen waren von einer Brigg umgeladen worden, die zuletzt in Dublin vor Anker gelegen hatte. Eine Ratte lugte zwischen den Kisten hervor und zog sich rasch zurück, als der Lichtschein der Lampe sie erfasste. Der Kapitän stieß mit dem Fuß in ihre Richtung, ohne sie zu treffen. »Widerliche Viecher«, murmelte er. Noch einen Augenblick betrachtete er die seltsame Fracht, dann schloss er mit einem Schulterzucken die Tür. Er wollte gar nicht so genau wissen, was er für seine Kunden transportierte. Seine Aufgabe war es nur, die Fracht von einem Hafen zum anderen zu geleiten und sie unversehrt in die Hände ihres Eigentümers zu übergeben.
    Unversehrt? Der Kapitän hätte sich gewundert, wäre er noch einmal umgekehrt, denn kaum berührte die Sonne den Horizont, als
Nägel aus ihren Löchern gedrückt wurden und mit leisem Klappern zu Boden fielen. Dann klappte ein hölzerner Deckel auf und eine Gestalt erhob sich aus der Kiste. Ein Knurren erklang.
    »Ja Seymour, ich weiß, dass du es hasst, in einer Kiste eingesperrt zu sein. Wäre dir der Gitterkäfig eines wilden Tieres lieber? Du glaubst doch nicht etwa, der Kapitän hätte dich als neuen Schoßhund mit auf die Brücke genommen?«
    Wieder knurrte der weiße Wolf. Mit einem riesigen Satz sprang er über die Bretterwand zu Boden, schüttelte und streckte sich. Ivy legte ihm die Hand auf den Nacken. »Jetzt haben wir es geschafft.«
    Sie trat an die Tür des Frachtraumes, während sich hinter ihr noch mehr Kisten öffneten. Aus der ersten stieg ihr Vetter Mervyn, der ebenfalls zum irischen Clan der Lycana gehörte. Neben ihm kletterten ein Mann und eine Frau aus ihren Särgen. Die Geschwister Niall und Bridget waren beide klein und von kräftigem Körperbau, hatten rötliches, lockiges Haar, einen Hauch von Sommersprossen auf ihrer bleichen Haut und dunkle Augen. Sie gehörten zu den unreinen Clanmitgliedern der Lycana. Obwohl sie sich still im Hintergrund hielten, warf Ivy ihnen einen missmutigen Blick zu. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden gehabt, als sie nur mit Mervyn und natürlich Seymour nach Rom gereist war, um das erste Jahr auf der Akademie zu absolvieren. Doch diesmal hatten Donnchadh und Catriona und selbst ihre Mutter, die Druidin Tara, darauf bestanden, dass sie zwei Servienten zum Schutz nach Hamburg mitnahmen. Auch Seymour war davon nicht begeistert.
    Ich kann sehr wohl auf dich achtgeben, kleine Schwester , brummte er. Ivy hob die Schultern. »Nach dem, was das Jahr über alles auf der Insel geschehen ist, meinen sie wohl nicht zu Unrecht, wir könnten in Gefahr sein.«
    Du könntest in Gefahr sein, berichtigte er, doch Ivy ging nicht darauf ein. Sie wandte sich den anderen Kisten zu, die ein Schild vom Londoner Hafen trugen und aus denen nun die Erben der Vyrad stiegen: die fünfzehnjährige Rowena, ihr siebzehnjähriger Vetter Raymond und Malcolm, der Älteste, der in diesem Sommer bereits achtzehn geworden war. Schloss er sich freiwillig ein weiteres Jahr der Akademie
an, um nach den Nosferas und den Lycana auch von den Vamalia zu lernen? Oder hatte Lord Milton ihn zum Schutz der jüngeren Erben mitgeschickt, nachdem die Vyrad in Irland auf so tragische Weise eines ihrer Kinder für immer verloren hatten? Ireen war vernichtet und nur noch die Erinnerung an die junge Vampirin lebte weiter.
    Ivy sah zu Malcolm hinüber. Seltsam. Wenn sie sich nicht täuschte, dann hatte er das Ritual noch nicht vollzogen und ernährte sich noch immer von Tierblut wie die anderen jungen Erben, für die es noch zu gefährlich war, sich an einem Menschen zu laben. Junge Vampire mussten erst eine gewisse Reife und mentale Stärke entwickeln, um sich gegen den Sog zur Wehr setzen zu können, den der Rausch des Blutes entfachte. Wie leicht konnte man sich in der Ekstase verlieren und den Moment verpassen, ehe der letzte Herzschlag des Opfers verklang, und mit in die Finsternis gerissen werden. Ein Vampir, der von totem Blut trank, wurde zwar nicht vernichtet, wie etwa von den Strahlen der Sonne, aber er konnte seinen Geist verlieren und zu einem
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