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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras
Autoren: Ulrike Schweikert
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an unserer Akademie freut.«
    Ein junges Mädchen?, wiederholte der Wolf. Auch wenn du noch immer so aussiehst, das ist lange vorbei. Das warst du einmal vor einhundert Jahren, als der Biss eines Vampirs dich gewandelt hat. Wen willst du täuschen? Dich selbst?
    »Meine Freunde jedenfalls nicht länger«, erwiderte Ivy trotzig. »Sie wissen, dass ich früher einmal ein Mensch war, bis ich zum Vampir gemacht wurde - und du zu einem Werwolf.«
    Ja, zu einer Servientin oder Unreinen, wie die Dracas in Wien sagen. Nicht wert, an der Akademie der Erben reinen Blutes zu studieren.
    »Die Täuschung habe nicht ich beschlossen«, wehrte Ivy ab. »Das war die Entscheidung unseres Clanführers. Und solange ich der Akademie nicht offiziell verwiesen werde, nehme ich die Chance wahr, von den Fähigkeiten der anderen Clans zu lernen.«
    Nun, dann hoffe, dass sich deine Freunde als vertrauenswürdig erweisen und dich keiner verrät. Dass er dabei an den Dracas dachte, konnte Ivy in seinen Gedanken lesen.

    »Franz Leopold wird mich nicht verraten!«, rief sie leidenschaftlich aus.
    Ich hoffe für dich, dass dein Urteilsvermögen so klar und scharf ist, wie es nach einhundert Jahren Erfahrung sein sollte. Und dass die anderen noch lange genug zu blind sind, um zu sehen, dass sich alle Erben weiterentwickeln, du dagegen immer dreizehn Jahre alt bleibst.
    Ivy runzelte besorgt die Stirn. »Ja, das hoffe ich auch.«
    Plötzlich erinnerte sie sich wieder daran, dass Seymour ihre erste Frage noch immer nicht beantwortet hatte. »Was für Nachrichten hat der Falke gebracht? Wohin werden wir fahren?«
    Der Wolf ließ seine gelben Augen über sie wandern und forschte in ihren Gedanken und Gefühlen. Du freust dich wirklich sehr, die Heimat zu verlassen. Kein Schmerz des Abschieds, keine Trauer darüber, die Wiesen und Hügel, die Klippen und das Meer, die weiten Moore ein Jahr lang nicht zu sehen.
    Ivy überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich empfinde keinen Trennungsschmerz, denn was bekomme ich stattdessen alles zum Tausch? Und nun sag, wohin geht es?«
    Ivy las die Antwort in seinen Gedanken und ein Lächeln ließ ihr Gesicht erstrahlen. »Wann werden wir reisen?«
    Unser Schiff wird in See stechen, sobald heute Abend die Sonne untergegangen ist.

    Alisa bog um die Ecke und blieb unvermittelt stehen. Die Galerie, die an dieser Stelle in einen Korridor überging, war zu beiden Seiten von Türen gesäumt, wobei die letzte aus zwei Flügeln bestand und mit kunstvollen Zierbeschlägen versehen war, um schon von Weitem kundzutun, dass hinter ihr das Oberhaupt des Clans der Hamburger Vamalia zu finden war: Dame Elina. Vor der geschlossenen Tür stand Alisas jüngerer Bruder Tammo, das Ohr gegen das Holz gepresst.
    Alisa blieb stehen. Wen belauschte er hier bloß? Dame Elina war mit zwei der Altehrwürdigen zum Treffen der Clans gereist. Das Zimmer war leer - oder etwa nicht? Alisa hatte die vergangenen drei Stunden damit zugebracht, durch die nächtliche Innenstadt Hamburgs
zu streichen und nach weggeworfenen Zeitungen Ausschau zu halten. Ihre reichhaltige Beute trug sie zusammengerollt unter dem Arm.
    Tammo gab seinen Lauschposten auf und huschte zu seiner Schwester, schwieg jedoch, bis sie die Galerie verlassen hatten, die sich um das großzügige Treppenhaus des herrschaftlichen Hauses zog, das einst einer reichen Hamburger Kaufmannsfamilie gehört hatte und nun zusammen mit einem weiteren Gebäude am alten Binnenhafen von den Vamalia bewohnt wurde. In diesem Haus, das größer und prächtiger als das andere war, hatten die Vamalia reinen Blutes und die Altehrwürdigen ihre Gemächer, im Nebenhaus wohnten die Servienten, jene Clanmitglieder, die einst Menschen gewesen und erst durch einen Biss zum Vampir geworden waren. Im Gegensatz zu den Reinen, die wie Tammo, Alisa und ihr Vetter Sören vom Kleinkind zum Erwachsenen heranwuchsen und sich veränderten, blieb das Äußere der Unreinen stets wie am Tag ihrer Wandlung. Egal was sie über Nacht taten, ob sie sich die Haare schnitten oder sich gar verwundeten, über Tag kehrte ihr Körper stets zu seinem ursprünglichen Zustand zurück. Das war zuweilen lästig, meist aber von Vorteil. Gerade wenn es um Verletzungen ging. Zwar schlossen sich Wunden bei reinen Vampiren auch viel schneller als bei M enschen, doch es dauerte einige Tage und Nächte, bis sie sich von einem starken Blutverlust erholt hatten oder ein Knochenbruch geheilt war.
    Tammo ließ sich auf die oberste
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