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Die Erben Der Flamme

Die Erben Der Flamme

Titel: Die Erben Der Flamme
Autoren: Carsten Thomas
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Staub wehte sogleich auf und hüllte sie ein. Brega würde sie erneut tadeln.
    Soll er doch , dachte Lee bitter.
    Sie hörte Kinderlachen und Lee drehte sich danach um. Schmutziggraue Gesichter eilten an ihr vorbei und grinsten sie keck an.
    »Der Schatz ist dort!«, rief ein Junge mit einem fleckigen Tuch über den Kopf. Er deutete auf die Fassade einer Tempelruine. Lee nahm an, dass er der Anführer der Gruppe war, denn die Kinderbande rannte ihm hinterher. Vor wenigen Jahren noch hatte Lee ebenfalls Schatzsuche gespielt, Verstecken, Zwergenkrieger oder all die anderen Sachen, die Kinder in Ab’Nahrim so machen konnten. Immer jammerten die Eltern, in was für einer schrecklichen Welt ihre Kleinen leben und aufwachsen mussten. Darüber konnte Lee nur lachen. Ab’Nahrim war für ein Kind jeden Tag Abenteuer, Entdeckungsreise und Spaß. Die Dunkelmagier sprachen von Slums und Ruinen; für Lee war es ihre Heimat.
    Sie schritt durch eine Gasse, die sie seit ihrer Kindheit kannte. Ein durch Zerstörung entstandener Weg, der sich durch brachliegende Häuser schlängelte und eine Abkürzung zur Hauptstraße bildete. Lee schlüpfte durch eine Spalte in der Mauer und drang in einen kegelförmigen Tempel ein. Wie von selbst fuhren ihre Hände zur Fackel, die an einer Schlaufe seitlich an ihrem Lakami-Mantel befestigt war. Mit geübten Schlägen des Feuersteins brachte sie den Stoffballen an deren Ende zum Leuchten. Wie jeder Einwohner von Ab’Nahrim trug auch Lee eine abgebrochene Spitze der herabhängenden Tropfsteine aus den Höhlen mit sich, die den Ruinenbewohnern als Feuerträger dienten. In Ab’Nahrim musste man stets für dunkle Gänge und Räume gewappnet sein.
    Lee schwenkte die Fackel durch den Korridor. Zerkratzte Inschriften schmückten die Wände und erinnerten an die große Zeit der Zwerge. Sie eilte durch den Tempelbau und beachtete nicht die barttragenden Büsten, die ihren Weg säumten.
    Er hat mich geschüttelt.
    Lee konnte nicht bestimmen, was an diesem Tag schlimmer für sie gewesen war: In der Tempelschule von einem Dunkelmagier, einer Witzfigur von einem Lehrer, belogen zu werden oder die Tatsache, dass ihr Vater das gleiche mit ihr tat. Sie schlüpfte durch die Überreste eines Torbogens weiter ins Innere des Tempels. Ein Kreis von behauenen Steinen, oder was davon übrig war, schmückte das Zentrum des Raumes.
    Lee seufzte auf. Zaghaft berührte sie ihre Schulter. Es tat nicht weh, doch die Erinnerung an Bregas Griff würde bleiben. In Lees Auffassung blieb ihr Vater stets der riesige Mann mit den großen Schmiedehänden, dessen sanftmütiges Gesicht selbst Narben und eine mehrfach gebrochene Nase nicht schmälern konnten. Oft erschien ihr Brega jedoch mehr als nur Schmied zu sein. Manchmal - so wie heute - offenbarte er eine ganz andere Seite. Bereits seit Jahren wusste Lee, dass ihr Vater etwas vor ihr verbarg. Sie hoffte immer noch, dass er sich ihr irgendwann offenbaren würde. Vielleicht konnte sie ihm dann helfen?
    Lee kletterte über die losen Mauerziegel einer eingebrochenen Wand in den nächsten Raum hinein. Das Shako, der Ring, wegen dem Brega sich so aufgeregt hatte, lag wieder um ihren Hals. Sie trug ihn, seit sie denken konnte. Er war Teil ihres Lebens, wie ein Kleidungsstück, das man gar nicht mehr wahrnahm. Dabei war das Shako ihr aufgezwungen worden, ohne dass sie je gefragt hätte, ob sie einen tragen wollte!
    Lee strich über die Einkerbungen auf dem kalten Metall an ihrem Hals und schluckte. Es waren Runen der Dunkelmagier. Sowie der ganze Ring ein Symbol der Unterdrückung der Dunkelmagier war.
    Sie erreichte eine umgestürzte Säule und kroch unter ihr hindurch ins Freie. Endlich gelangte Lee zur Hauptstraße. Sie führte direkt zum Versammlungsort von Ab’Nahrim, der von allen nur Großer Platz genannt wurde. Sie konnte ihn von ihrer erhöhten Position gut erkennen. Ein haushoher Kristall thronte in der Mitte der platt gestampften Aschenebene und warf sein Licht auf hunderte Menschen, die sich dort bereits eingefunden hatten.
    Der Bergkristall war einer der wenigen noch komplett erhaltenen Relikte aus dem damaligen Ab’Nahrim der Zwerge, dem heiligen Tempelreich von Belerock. Im ausgehöhlten Innern des Kristalls brannte ein einfaches Feuer, das von Oberfläche tausendfach verstärkt wurde. Lee schauderte bei der Vorstellung, dass die Zwerge früher das Feuer auf nichtmagische Weise aufrechterhalten hatten. Tag und Nacht hatten Läufer Holz durch den Tunnel zum Kristall
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