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Die Erben Der Flamme

Die Erben Der Flamme

Titel: Die Erben Der Flamme
Autoren: Carsten Thomas
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schleppen müssen. Lee vermutete, dass das Licht des gigantischen Quarzsteins zur Ehre irgendeines ihrer Götter gereichen sollte. Davon hatten die Zwerge mehr als genug.
    Nun brannte das Feuer immerdar; die Dunkelmagier versetzten es in ungewissen Abständen mit Magie. Ein unverkennbares Zeichen ihrer Macht. Für die Menschen von Ab’Nahrim war der Kristall jedoch nur für eines von Bedeutung: als riesiger Lichtspender, der die Tempelruinen beleuchtete. Sonst würden sie in Finsternis leben müssen.
    Wenn Lee ihren Geburtsort betrachtete, den Ascheplatz, die verwüsteten Tempelanlagen und die zerklüftete Höhlendecke, wurde ihr erneut bewusst, dass zehntausende Menschen hier unter der Erde hausten. Ab’Nahrim war einst eine Pilgerstätte gewesen, ein gewaltiger Höhlenkomplex, das am Tor der Unsterblichen Namen von der Zwergenstadt selbst abzweigte und einen separaten Ort bildete. Noch heute zeugten zerbrochene Alabasterstatuen und besser erhaltene Tempel vom vergangenen Ruhm des Bergvolks.
    Ihr Lehrmeister Dionadus hatte Lee viel über Ab’Nahrim als auch Belerock erzählt. Der glatzköpfige Mann mit dem grauen Haarkranz hatte ihr mehr in einem Jahr beigebracht, als sie in ihrer gesamten bisherigen Schulzeit gelernt hatte. Aber Lee saß inzwischen sowieso nur noch ihre Zeit in der Tempelschule der Dunkelmagier ab. Diese war eine Farce. Die Kinder der Ruinenbewohner lernten so zu sein, wie die Magier sie später haben wollten: gehorsame Untergebene. Wäre Lee niemals auf Dionadus getroffen – sie wollte gar nicht daran denken, wie unwissend und naiv sie jetzt sein würde. Sie hatte sich bereits damals geschworen, dass ihr niemand mehr etwas vormachen würde.
    Sie entsann sich an ihre erste Begegnung auf einer Straße in den südlichen Tempelruinen. Wie der Mann, der von sich sagte, ein Priester von Zorbath zu sein, einen Stapel Bücher trug und fast gestolpert wäre. Lee hatte Dionadus davor bewahrt und ihm einen Teil seiner Last abgenommen. Anschließend hatte sie ihn zu seinem Tempel begleitet und dort eine Welt aus verbotenen Büchern und Schriftrollen kennengelernt.
    »Irgendwann werden die Menschen wieder auf der Erde leben und nicht in ihr.« Mit einem verschmitzten Lächeln hatte der Priester gestern eine ungläubige Lee verabschiedet und sie gebeten, über seine Worte nachzudenken.
    Und wie Lee darüber nachgedacht hatte! Stunden um Stunden hatte sie sich im Bett hin und her gewälzt. Ihr Dunkelmagier-Lehrer hatte Lee und den anderen Kindern der Klasse die Oberwelt als toten Ort beschrieben: »Die Menschen wurden vom Got tkönig erschaffen, um seinen Gesandten, den Dunkelmagiern, in der Unterwelt zu Diensten zu sein. Es gab und wird immer nur ein Leben unter der Erde geben.«
    Lee legte ihren Kopf in den Nacken und blickte vom Platz auf. Das Licht des gewaltigen Bergkristalls erhellte vertraute U mrisse. Weit über ihr lag die Höhlendecke der Tempelruinen. Myriaden von Quarzkristallen funkelten im Schein des Lichtes.
    Wie die Welt dort oben wohl aussieht?
    Dionadus hatte ihr von Kyranis erzählt. Ein Ort aus kaltem Wasser, das Weiß geworden war und Leben unmöglich machte. Eine Eiswelt. Ein Land, das sich weiter erstreckte, als man sehen konnte und das keine Decke aus Stein besaß, sondern einen unendlich weiten Himmel. Wie gerne würde Lee die wunderlichen Dinge wie diesen Himmel sehen, die zu unglaublich klangen, um wahr zu sein. Noch heute wollte sie Dionadus besuchen und mehr über Kyranis erfahren. Ein jeder sollte mehr darüber erfahren …
    Lee war am Großen Platz angekommen. Sie drückte sich an den Menschen vorbei und überhörte die Beschimpfungen, die ihr de swegen nachgerufen wurden. Nach einigen Schubsen ergatterte sie sich eine Stelle nahe dem leeren Podium gegenüber des Bergkristalls. Lee schaute über die Köpfe hinweg auf die Goldene Pyramide am Ende des Platzes. Das glänzende Bauwerk bildete das Zentrum von Ab’Nahrim. Doch die Goldene Pyramide war überhaupt nicht golden. Brega hatte es ihr erklärt. Die Steinmetze der Zwerge hatten einstmals dieses Bauwerk erschaffen. Die Pyramide war stufenweise aus Steinquadern errichtet und anschließend mit spiegelglattem Marmor verkleidet worden, sodass es im Schein des Kristalls erschien, als würde sie golden aufleuchten.
    »Dort ist jetzt Nandir«, murmelte Lee vor sich hin.
    In der Pyramide lebten die Gesegneten. Ihr Schulkamerad befand sich nun irgendwo innerhalb dieser Gemäuer. Lee hoffte, dass es ihm gut erging.
    In Lumpen
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