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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Flugzeug nach Los Angeles zu bringen. Als man ihn auf halber Strecke erwischt, weigert er sich aufzugeben. Stattdessen legt er in Kansas City eine Bruchlandung hin und zündet eine Atombombe, die den gesamten Mittleren Westen zerstört.« HK hielt inne und blickte auf die Fesseln an seinen Handgelenken. Dann sah er mit ernstem Gesicht wieder auf. »Ich versuche diese Atomexplosion rückgängig zu machen.«
    Lange Zeit sagte niemand etwas. Dann widersprach Katherine: »Das ist ein blöder Vergleich. Eine Atomexplosion in Kansas City würde auch die gestohlenen Babys umbringen.«
    Auch andere Kinder begannen zu murmeln. Jonas hörte Alex sagen: »Aber der radioaktive Niederschlag, der nach Los Angeles treibt, käme dann in etwa diesem Wellendings gleich, von dem er geredet hat . . .«
    Jonas hob die Hand und zu seinem eigenen Erstaunen verstummten die anderen.
    »Okay, ich habe verstanden, dass es wohl keine Absicht war, dass wir hier gelandet sind«, sagte er. »Aber es ist nun mal passiert und wir haben unser ganzes Leben im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert verbracht, also gehören wir jetzt hierher. Hier sind unsere Familien und wir kennen es nicht anders.«
    Sein Blick huschte zu Katherine hinüber, als er das sagte. Sie lächelte ihm aufmunternd zu.
    »Hören Sie«, wandte sich Jonas an Mr Hodge. »Sie müssen sich für diese Familien in der Zukunft einfach andere Babys suchen. Und Sie –«, er wandte sich an HK, »Sie müssen sich einen anderen Weg ausdenken, um den Welleneffekt zu reparieren und die Zeit zu retten. Ihnen fällt bestimmt was ein. Ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber ich bleibe hier!« Normalerweise hätte sich das richtig gut angehört, sehr dramatisch, nur wurde ihm plötzlich klar, dass es nicht ganz richtig war, und er fügte unsicher hinzu: »Was ich meine,ist, dass ich
jetzt
bleibe. Oder wie auch immer. Sie wissen schon, was ich meine.«
    Mr Hodge lächelte verschlagen.
    »Das hat mir an diesen Amerikanern aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert schon immer gefallen«, sagte er. »Ihre felsenfeste Überzeugung, sie könnten ihr Schicksal selbst bestimmen. Aber bitte, geht, geht. Geht durch die Tür und habt ein schönes Leben.«
    In diesem Moment fiel Jonas das Nichts auf der anderen Seite des Eingangs wieder ein, die Tatsache, dass das einundzwanzigste Jahrhundert und alles andere draußen vor der Höhle verschwunden war.
    »Sagen Sie mir den Code, mit dem wir nach Hause kommen«, sagte er. »Bitte.«
    Mr Hodge schüttelte den Kopf. Jonas wandte sich an HK. Nach kurzem Zögern schüttelte dieser ebenfalls den Kopf.
    »Ihr müsst euch entscheiden«, sagte er. »Euer
Jetzt
steht nicht zur Debatte. Also, was soll es sein: die Zukunft oder die Vergangenheit?«

Zweiunddreißig
    Niemand wurde hungrig und niemand musste auf die Toilette. Das waren die positiven Aspekte. Aber es konnte auch niemand die Höhle verlassen. Niemand konnte in sein normales Leben zurückkehren, die Eltern wiedersehen, mit den gewohnten Freunden reden. Oder älter werden.
    Bisher hatte Jonas noch keinen rechten Sinn dafür gehabt, dass die Zeit stehen geblieben war. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, auf den Boden zu stürzen, sich den Definator zu schnappen oder Seile zu holen. Aber jetzt lastete die Zeit, oder vielmehr ihr Fehlen, schwer auf ihm. Es interessierte ihn nicht einmal mehr, herauszufinden, welches verschollene Kind der Geschichte er selbst war. Auch den anderen Kindern erging es nicht anders. Alle saßen zermürbt herum.
    »Ihr wisst doch, dass es heißt, die Zeit würde wie im Flug vergehen, wenn man sich gut amüsiert?«, sagte Emily, die vorhin so beruhigend auf andere eingewirkt hatte, und zupfte gedankenlos an ihrem Sweatshirtärmel.
    »Ja«, sagte Jonas.
    »Bisher habe ich geglaubt, das Gegenteil davon wären die letzten fünf Minuten unseres Matheunterrichts, wenn der Lehrer gar nicht mehr aufhören kann, sich über Dezimalzahlen auszulassen«, sagte sie und gähnte. »Ich hatte keine Ahnung, dass es
so
schlimm sein kann.«
    »Ja«, sagte Jonas wieder und wollte hinzufügen:
Ich weiß, was du meinst,
fand es aber nicht der Mühe wert.
    Denk nach, befahl er sich wütend. Entscheide dich. Zukunft oder Vergangenheit? Zukunft oder Vergangenheit?
    Er konnte sich nicht entscheiden. Es war wie bei einem dieser Multiple-Choice-Tests in der Schule, wenn er die Antwort nicht wusste. Er versuchte dann immer, die Antwortmöglichkeiten auszusortieren, die er definitiv für falsch
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