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Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft

Titel: Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Autoren: C.H.Beck
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Landschaften interessant, und nicht die Aneinanderreihung von Fakten, die von manchen Geographen despektierlich als «Briefträgerwissen» abgekanzelt wird.
    Umfassende Kenntnisse über Landschaften sind eine unverzichtbare Basis dafür, dass sich eine Gruppe von Bürgern darüber einigen kann, was beim Umgang mit einem Gebiet und dessen Nutzung künftig beachtet werden soll. Über Gegenwart und Zukunft von Orten und Regionen wird derzeit vor allem dann diskutiert, wenn sie durch ein Bauprojekt verändert werden sollen. Viele Teilnehmer an solchen Moderationsverfahren sind über grundlegende Zusammenhänge, die den behandelten Ort, dessen Umgebung oder auch die geplanten Projekte betreffen, sehr wenig oder aber überhaupt nicht informiert. Auch wenn planende Behörden mit Recht darauf verweisen, notwendige Informationen zusammengestellt zu haben, so ändert das nichts daran, dass diese Informationen die breite Öffentlichkeit nicht erreichen. Denn das allgemeine Wissen reicht nicht aus, um über die Projekte und ihr Verhältnis zum Status quo fundiert diskutieren zu können. Zum Thema geäußerte Ansichten beruhen oft ausschließlich auf eineremotionalen Basis, aber nicht auf Wissen. Es hilft nichts, sich in einem solchen Zusammenhang über mangelndes Wissen der Bevölkerung zu beklagen; vielmehr besteht die Herausforderung, bessere Wege der Information zu finden.
    Diskussionen über Gegenwart und Zukunft von Landschaften sollten auf jeden Fall regelmäßig stattfinden, und zwar auch, ohne dass die Notwendigkeit besteht, zugleich ein Ort und Landschaft veränderndes Projekt zu diskutieren.
    Eigentlich sollte die Bevölkerung eines Ortes sich stets darüber im Klaren sein, was die besondere Eigenart oder Identität ihres Wohnortes und dessen Umgebung ausmacht. [165] Eine Diskussionsrunde, in der über Gegenwart und Zukunft einer konkreten Landschaft beraten wird, sollte zu einem intersubjektiven Kompromiss unter den Menschen führen, die verschiedene Ansprüche an diese Landschaft haben – als Nutzer des Raums, als Erholungssuchende, als Liebhaber ihrer Heimat. Deren Anliegen lassen sich nur dann miteinander in Einklang bringen, wenn jeder Teilnehmer an der Diskussionsrunde Zusammenhänge kennt, auf deren Grundlage er auch die Argumentation anderer Diskutanten verstehen kann. Auf diese Weise sieht derjenige, der seine Heimat liebt, ein, warum «seine» Landschaft genutzt wird, auf welche Weise dies geschieht und welche landschaftlichen Charakteristika auf welche Formen der Nutzung zurückgehen. Der Nutzer einer Landschaft muss zugleich Verständnis dafür aufbringen, warum diese als einmalig gelten kann und warum andere Menschen eine emotionale Bindung zu ihr haben. Ein Konsens zu Landschaft ist immer möglich; er führt viel eher zum Ziel als eine Konfrontation zwischen Landnutzern und Naturschützern. [166]
    Solche Diskussionen dienen übrigens nicht nur der Beschäftigung mit Landschaft, sondern sie haben noch einen weiteren, vielleicht unerwarteten Effekt: Sie bringen Menschen ins Gespräch miteinander, die sich sonst nicht oft begegnen: Landwirte, Spaziergänger, Urlaubsreisende. Auf eine gute Information der Bevölkerung darüber, was in ihrer Landschaft gemacht und geplant wird, zielen unter anderem Bestimmungen der Europäischen Landschaftskonvention ab, die vom Europarat als Basis für denUmgang mit Landschaft entwickelt wurde. [167] Im Unterschied zu den meisten europäischen Ländern wurde die Europäische Landschaftskonvention von den Regierungen von Deutschland und Österreich bisher nicht anerkannt. Dies wird von der deutschen Bundesregierung damit begründet, dass die Bestimmungen der Landschaftskonvention keine Vorteile gegenüber bestehenden naturschutzrechtlichen Regelungen bringen. Dabei wird missachtet, dass es in der Landschaftskonvention um kulturelle Grundlagen des Verhaltens von Menschen ihrer Umwelt gegenüber geht, aber nicht um rechtliche Bestimmungen, die vom Staat vorgegeben werden. Von Rechts wegen lässt sich ein Gebiet unter Schutz stellen, aber
wie
es geschützt werden soll, regelt das Gesetz nicht: Das ergibt sich allein aus der Entscheidung, ob innerhalb des Gebietes eine natürliche Entwicklung gefördert oder die landschaftliche Identität bewahrt werden soll. Diese Entscheidung lässt sich auf fachlicher Basis fällen; es kann aber auch die gesamte Bevölkerung daran beteiligt werden, wie es in der Europäischen Landschaftskonvention angestrebt wird.
    Die Ablehnung der
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