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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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ausmachen. Kein Wunder, dass Jäger früh starben.
    Vor mir überprüfte Bleich die Fallen. Ein paar davon brachten ein wenig Fleisch ein. Ein anderer Partner hätte vielleicht versucht, mir die Nervosität zu nehmen, aber Bleich ließ mich einfach allein in der Dunkelheit und der
Stille. Na schön, ich kam auch so zurecht. Ich hatte keine Angst.
    Das redete ich mir zumindest ein, bis wir einer Biegung nach links folgten und ich Geräusche in der Ferne hörte. Nasse, saugende Geräusche hallten durch den Tunnel, und ich konnte nicht sagen, wie nahe sie bereits waren. Der Boden unter meinen Füßen wurde rauer, geborstenes Metall und Steinbrocken. Bleich tauchte in die Dunkelheit ein und ging auf die Gefahr zu . Und weil es meine Aufgabe war, folgte ich ihm.
    Wir kamen an eine Kreuzung, an der vier Tunnel aufeinandertrafen. Die Decke über uns hatte Risse und war teilweise eingestürzt, überall lagen Bruchstücke davon herum. Aus einiger Entfernung sickerte ein fahler Lichtschein in den Tunnel und tauchte alles in einen eigentümlichen Glanz. Und ich sah meinen ersten Freak.
    Wir bewegten uns lautlos wie Messer, und das Monster hatte uns weder gehört noch gesehen. Es kauerte über irgendetwas Totem und zerriss das rohe Fleisch mit seinen Zähnen. Es mussten noch mehr in der Nähe sein. In der Balgschule hatten wir gelernt, dass Freaks immer in Rudeln auftraten.
    Bleich bedeutete mir mit einer stummen Geste, dass er ihn übernehmen würde; ich sollte mich um die anderen kümmern. Mit einem Nicken signalisierte ich ihm, dass ich verstanden hatte. Er bewegte sich vorwärts, hager und todbringend, und fällte die Kreatur mit einem pfeilschnellen Klingenstoß. Sie kreischte kurz auf, wahrscheinlich lange genug, um die anderen zu warnen, dann hallte ihr Todesschrei nach wie ein Begräbnislied.

    Eine Bewegung rechts von mir zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Zwei weitere Freaks kamen in vollem Lauf auf uns zugerannt, und meine Instinkte übernahmen die Kontrolle, ließen keinen Platz für Angst. Die beiden Messer glitten in meine Hände, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Jägern konnte ich beidhändig kämpfen.
    Seide hat nicht gelogen. Ich bin die Beste in meiner Gruppe.
    Diesen Satz sagte ich mir vor, als der erste Freak sich auf mich stürzte. Ich empfing ihn mit einem schnellen Messerstoß seitlich nach oben. Geh auf die lebenswichtigen Organe. Setz sofort den Todesstoß , hörte ich Seides Stimme in meinem Kopf. Jede Sekunde, die du gegen eines dieser Dinger kämpfst, kostet Kraft, die dir dann fehlen wird, wenn du sie am meisten brauchst.
    Meine Klinge bohrte sich in fauliges, schwammiges Fleisch und traf auf Knochen. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Zu hoch . Ich hatte es nicht auf die Rippen abgesehen. Die Kreatur brüllte vor Schmerz und schlug mit ihrer verdreckten Klaue nach meiner Schulter. Das hier war kein Trainingskampf, und das Monster bewegte sich auf eine Art, die ich nicht kannte.
    Verbissen konterte ich mit meiner rechten Hand und wünschte mir, ich hätte die Zeit, Bleich zu beobachten, seinen Stil zu studieren. Aber das hier war mein erster richtiger Kampf, und ich wollte verhindern, danach schlimmer auszusehen als ein vollkommen untrainierter Balg.
    Mein Bein zuckte nach vorn, und gleichzeitig ließ ich mein Messer seitlich vorschnellen. Beides Treffer, und der Freak sackte zusammen, spuckte fauliges Blut. Es sah nicht aus wie unseres, es war dunkler, dick und stinkend. Ich rammte mein
Messer in sein Herz und tänzelte zurück, um nicht von seinen Klauen erwischt zu werden, während er in Todeszuckungen dalag.
    Bleich brauchte nicht so lange wie ich, was zu erwarten gewesen war. Schließlich hatte er mehr Erfahrung. Ich säuberte meine Klingen mit den Fetzen, die der Freak am Leib trug, und steckte sie zurück in die Halter. Jetzt verstand ich voll und ganz, warum Jäger so viel Zeit mit der Pflege ihrer Waffen verbrachten. Ich hatte das Gefühl, als würde ich das Metall nie wieder sauber bekommen.
    »Nicht schlecht«, sagte er schließlich.
    »Danke.«
    Ich hatte es geschafft. Zu den Narben auf meinen Armen, die mich als Jägerin auswiesen, hatte ich nun auch meine Bluttaufe erhalten. Ich straffte die Schultern.
    Wir ließen die drei Kadaver zurück. So schrecklich es auch klang, andere Freaks würden sie fressen. Ihre Toten kümmerten sie nicht. Sie griffen sich zwar nicht gegenseitig an, aber alles, was sie in den Tunneln finden konnten – ob lebendig oder tot –, war Nahrung für
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