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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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sich angelegentlich dem Kranken, dessen Kopf sich jetzt auf ihren Knien bewegte. Zwei Gassenbuben waren näher gekommen, um zu sehen, was für ein Schauspiel sich mitten auf der Straße bot, an dem eine Begine, ein Mönch und ein Narr beteiligt waren.
    »Verschwindet!«, fuhr Pater Ivo sie an und hob drohend den Knüttel.
    Sie folgten der Weisung umgehend. Dafür kam Bruder Markus mit zwei Novizen zurück, die unter seiner kundigen Anleitung den Jungen aufhoben und in das Kloster trugen. Almut erhob sich von der Straße und schüttelte ihre Kleider aus.
    »Ihr seid wieder einmal ganz alleine unterwegs, Begine?«
    »O nein, Pater.Ich besuchte meine Eltern, und Freunde meines Vaters wollten mich zum Eigelstein begleiten. Doch in der ganzen Aufregung hier habe ich sie in der Menge verloren.«
    »Dann werde ich mit Euch gehen. Die Dämmerung bricht schon herein.«
    »Lasst nur, es ist ja nicht weit!«
    »Ihr geht nicht alleine durch die dunklen Gassen, Begine. Das gehört sich nicht!«
    »Und Ihr solltet lieber in Eure warme Kammer gehen, denn die Kälte tut Euch nicht gut. Ihr werdet wieder Schmerzen bekommen!«
    »›Alle Tage des Menschen sind voller Schmerzen, und voll Kummer ist sein Mühen!‹«, seufzte der Benediktiner und strich sich mit leidvollem Blick über den kurz geschnittenen grauschwarzen Bart. Doch Almut bemerkte die verräterischen Fältchen in seinen Augenwinkeln und ergänzte mit vorwurfsvoller Miene: »Auch das ist eitel und ein Haschen nach dem Wind!«
    »Wie der Prediger sagt. Also, dann gehen wir. Kommt!«
    Almut passte ihre Schritte denen des Paters an, der zwar langsam ging, aber offensichtlich auf den Stock nicht mehr gänzlich angewiesen war.
    »Ihr habt Euch die Verlesung der Sühneurkunde angehört, vermute ich?«
    »Ja, zusammen mit meinem Vater. Ihr kennt sie?«
    »Unser Abt hat eine Abschrift davon in der Kapitelversammlung vorgelesen. Nun wird ein geregeltes Leben wieder möglich sein, und Ihr müsst nicht mehr die Predigten in unserer Pfarrkirche ertragen, Begine! Euer Pfarrer wird wohl auch bald von Bonn zurückkommen.«
    »Wir erwarten Pater Leonhard in den nächsten Tagen. Aber, Pater Ivo, sollte mich die Lust ankommen, über diffizile theologische Fragen zu disputieren, werde ich mich gerne dann und wann in Sankt Brigiden einfinden.«
    Die Bekanntschaft zwischen Almut und dem Benediktinerpater hatte ihren Anfang genommen, als die Begine sich während einer Predigt mit einem Ordensbruder angelegt und damit einige Schwierigkeiten heraufbeschworen hatte.
    »Und ich hatte auf die Erlösung von dem Übel gehofft! Wie nimmt man in Eurem Konvent die neue Entwicklung auf?«
    »Wir sind vor allem froh, dass nun die Truppen der Erzbischöflichen vor dem Eigelsteintor abziehen werden.«
    »Ja, das kann ich verstehen!«
    »Ansonsten sind wir, dem Herrn sei Dank, ja nicht allzu stark von den Auseinandersetzungen betroffen gewesen. Wir werden unsere Arbeiten weiterhin erledigen, die Kranken versorgen und für die Verstorbenen beten. Ich werde mich endlich wieder um den Bau unserer Kapelle kümmern. Mein Vater wird diese Woche noch einige Fuhren Steine und Bauholz liefern. Und - ach, wie dumm, dass ich nicht mit dem Florens zurückgehen konnte!«
    »Der sicherlich ein weitaus wünschenswerterer Begleiter war als ich.«
    »Da er Steinmetz ist und ich gerne ein paar Spitzbogenfenster hätte, wäre er das wohl. Außerdem hat mein Vater ihn als meinen nächsten Ehemann ausersehen, und so hätte ich ihn wenigstens für die Dauer einiger Schritte etwas besser kennenlernen können.«
    Pater Ivo hielt abrupt inne und wandte sich zu Almut um.
    »Ihr wollt wieder heiraten?«
    »So es nach meinem Vater ginge.«
    Die schwarzen Brauen, die die grauen Augen des Benediktiners überschatteten, zogen sich unwirsch zusammen, und unter der Kapuze wirkte sein Gesicht streng und drohend.
    »Ihr werdet Euch nach seinen Wünschen richten!«, knurrte er.
    »Wie ich mich immer nach den Wünschen derer richte, die allein durch Stand und höheres Wissen mir überlegen sind, Pater.«
    Doch sie erhielt keine Antwort, und den Rest des Weges gingen sie schweigend nebeneinander her.

3. Kapitel
    D ie Meisterin hatte Clara für einen Augenblick zu sich gebeten, um ihr ein paar Anweisungen zu geben, weswegen die elf Jüngferchen, Pitter, der Päckelchesträger, und seit neuestem auch Bertram, der Sohn der Pastetenbäckerin, in dem Unterrichtsraum sich selbst überlassen waren. Eigentlich sollten sie einen vorgegebenen Text in
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