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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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Auseinandersetzungen angeeignet hatte, und die Stadt gab die Kleriker Kelz und Wevelingshoven frei.
    »Sie werden verd … also, ziemlich viel zu tun haben, die Herren Schöffen.«
    »Ja, Herr Vater, das werden sie. Fast zwei Jahre müssen sie aufarbeiten. Die ganzen offenen Fälle, die Eigentumsübertragungen, das Eintreiben der Gebühren …«
    »Mir tun sie nicht leid. Sie hätten ja nicht mit nach Bonn ziehen müssen.«
    »Nein, sie hätten ihren Pflichten nachkommen sollen, wie es sich gehört. Aber solange der Erzbischof die Verantwortung für die hohe Gerichtsbarkeit hat, werden sie sich ihm gegenüber loyal verhalten. Ich hatte gehofft, der Rat würde mehr Macht erhalten. Aber es scheint alles beim Alten zu bleiben.«
    Der Baumeister schüttelte den Kopf, als er seine Tochter so reden hörte, aber dann erklärte er: »Das ist nur im Augenblick so. Es wird sich etwas ändern. Seien wir froh, dass erst einmal Frieden herrscht!«
    Nach und nach zerstreuten sich die Massen, dennoch blieben vielfach Grüppchen beisammen, die sich über die Verlesung der Sühneurkunde unterhielten. Almut wollte zum Eigelstein zurückkehren, aber ihr Vater führte sie mit einem nachdrücklichen Griff am Arm in Richtung einer dieser Gruppen.
    »Was für ein Zufall, mein Junge!«, sprach er einen schlaksigen jungen Mann an, der neben einem zierlichen Mädchen stand. »Habe ich doch heute morgen deinen Vater besucht und ihn einigermaßen wohl gefunden.« Er drehte sich zu Almut um und erklärte: »Das hier sind der Sohn meines Parlers, Florens Steinheuer, und Sanna, seine Schwester. Meine Tochter, Almut Bossard, freut sich, euch kennenzulernen! Vielleicht, Florens, könntest du mir den Gefallen tun, und sie zu ihrer - äh - Wohnung zurückbegleiten, ich habe noch wichtige Angelegenheiten zu regeln!«
    »Aber, Herr Vater, Ihr habt doch …«
    »Schon recht, Tochter. Florens ist ein ehrbarer Mann. Ich lasse dir in ein paar Tagen die Steine anliefern. Keine Sorge, das habe ich nicht vergessen.«
    Einigermaßen überrumpelt nickte Florens, als sich der Baumeister mit wehender Heuke entfernte. Almut hingegen hatte sich, da sie mit den wohlgemeinten, aber nicht immer sehr subtil durchgeführten Verkupplungsversuchen ihres Vaters vertraut war, schnell gefasst, und wandte sich an das Mädchen.
    »Ich bin eine Begine, wie Ihr seht, und lebe in einem Konvent am Eigelstein.«
    »Meinen Gruß, Frau Almut«, sagte Sanna mit scheuer Stimme. »Ich hörte schon von Eurem Konvent. Von Meister Krudener.«
    »Oh, den Apotheker kennt Ihr?«
    »Ich … wir holen unsere Arzneien für den Vater bei ihm. Und ich habe seine Gehilfin getroffen. Sie ist sehr begabt, nicht wahr?«
    »Trine? Sie ist eine ungewöhnliche Person, das will ich meinen.«
    Sie unterhielten sich eine Weile über das taubstumme Mädchen, das vor einigen Jahren von den Beginen aufgenommen worden war, dort die Grundzüge der Kräuterkunde gelernt hatte und nun ihre Ausbildung zur Apothekerin in Meister Krudeners Laboratorium vervollständigte. Während dieses Gesprächs musterte Almut unauffällig die Geschwister.
    Bruder und Schwester Steinhauer waren beide weizenblond und hatten eine zarte, helle Haut. Doch das schienen die einzigen Schönheitsmerkmale zu sein, denn sowohl Florens als auch Sanna hatten große, ein wenig schiefe Nasen, und dem jungen Mann lugten gewaltige, flügelartige Ohren aus den glänzenden Locken. Bei Sanna bedeckte gnädigerweise die Haube diese segelförmigen Auswüchse. Nichtsdestotrotz hatten sie angenehme Manieren und stellten Almut auch ihren Begleiter vor, der im Gegensatz zu den beiden ein Bild von einem Mann war. Sie nannten ihn Claas, den Schreinemaker. Er war groß, braune Locken ringelten sich unter der turbanartigen Sendelbinde hervor, zusammen mit ihr gaben ihm seine ein wenig schräg stehenden samtbraunen Augen in ihrem Kranz langer dunkler Wimpern ein fremdartiges Aussehen. Doch seine vollen Lippen wirkten bei weitem nicht weibisch, sondern bildeten mit dem ausgeprägten Kinn einen energischen Zug in seinem Gesicht. Sein Lächeln war ansteckend. Almut erwiderte es ungewollt.
    »Gehen wir Richtung Eigelstein. Es ist auch mein Weg, Frau Almut, denn ich will dort einer Verwandten einen Besuch abstatten«, bot er ihr an. »Begleitet Ihr uns, Jungfer Sanna?«
    »Ja, sogar gerne, denn ich möchte noch bei den heiligen Jungfrauen beten.«
    »Für eine gute Heirat, Jungfer Sanna?«
    Sanna kicherte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund.
    »Nein, für die
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