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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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war natürlich eine besondere Spende. Die Pastetenbäckerin Lena war mit ihrem Sohn erst zu Beginn des Jahres in eines der Häuschen neben dem Beginenkonvent gezogen und hatte sich alsbald mit ihren köstlichen Waren in der Umgebung beliebt gemacht.
    »Sie versteht ihr Handwerk!«, stellte Almut fest und wischte sich einen letzten Krümel von den Lippen. »Wir sollten uns häufiger mal von ihr verköstigen lassen.«
    »Ja, ihre Pasteten sind saftig. Aber ihre Preise sind es auch!«
    Magda, die auch die Finanzen des Konvents betreute, war bekannt dafür, keine Extravaganzen zu dulden. Keuschheit, Armut und ein pflichterfülltes, frommes Leben hatten die zwölf Frauen geschworen, die auf dem Hof am Eigelstein wohnten und gemeinsam arbeiteten.
    Mettel deckte den Korb wieder zu und erklärte: »Sie verwendet gute Zutaten, das ist eben nicht billig. Und sie muss sich um Bertram kümmern. Der Junge ist ein Narr.«
    Almut sah sie fragend an und meinte: »Ist er das? Ich habe ihn erst einmal gesehen, da hat er ganz verständig mit Pitter geschwatzt!«
    Mit einer selbstgefälligen Miene belehrte sie die Schweinehirtin: »Manchmal geht es, aber er ist wirr im Kopf. Er ist an einem Karfreitag gezeugt worden, wisst ihr. Das ist eben die Strafe für die Sünde!«
    Mit schwingendem Korb wandte sie sich Richtung Küche.
    »Armer Kerl!«, murmelte Almut und sah Mettel nach. »Kann er etwas dafür, dass seine Eltern am Tag der Kreuzigung gesündigt haben? Glaubst du, was Mettel da behauptet?«
    »Almut!« In Magdas Stimme schwang so etwas wie eine Warnung mit. »Ich würde dir nicht raten, darüber mit einem Priester zu disputieren!«
    »Nein, nein, keine Sorge. Ich verbrenne mir die Zunge nicht daran. Du musst zugeben, seit Monaten habe ich den Mund in der Kirche nicht mehr aufgemacht.«
    »Zu unser aller Freude, ja.«
    »Aber der Junge ist wirklich kein Narr, Magda. Er scheint sogar recht wissbegierig zu sein. Pitter hat ihm gegenüber mit seinen neuen Schreibkenntnissen herumgeprahlt, und er hat behauptet, er habe sich selbst das Lesen beigebracht. Aber Schreiben würde er gerne lernen. Sag mal...«
    »Ja, Almut?«
    »Wenn wir ihm das beibringen, ich meine, in Form eines gewissen Tauschhandels...«
    Magda lachte auf.
    »Pasteten gegen Buchstaben? Das ließe sich sicher machen. Gertrud kann zwar gut kochen, aber das Backen geht ihr nicht so leicht von der Hand. Ich spreche mal mit Frau Lena und frage Clara, ob sie einverstanden ist.«
    »Oh, danke!«
    »Ist schon gut. Ich habe dich übrigens eine ganze Weile hier im Kalten stehen sehen. Willst du die Arbeiten an dem Gebäude schon aufnehmen?«
    »Nein, in den nächsten Tagen noch nicht. Noch gibt es nachts Frost. Aber ich habe überlegt, ob ich meinen Vater bitte, mir schon einmal die nächste Fuhre Steine anzuliefern. Anfang März möchte ich gerne weitermachen.«
    »Dann such ihn auf und besprich es mit ihm.«
    »Danke. Ja, morgen würde ich gerne mit Frau Barbara zur Messe gehen und nachmittags bei meinen Eltern bleiben.«
    Magda nickte zustimmend. Die Beginen lebten nicht in strenger Abgeschlossenheit, sondern durften - in Begleitung und mit Erlaubnis der Meisterin - durchaus Besuche abstatten.
     
    Frau Barbara ließ mit anmutiger Bewegung die pelzbesetzte Schleppe ihres Gewandes fallen und stieg die Treppe zu ihrer Wohnstube hinauf. Almut, in schlichtem Beginen-Grau, folgte ihr und musste sich ein kleines Grinsen verkneifen. Ihre Stiefmutter mochte viele gute Eigenschaften haben - sie war warmherzig, humorvoll, geschäftstüchtig und ihrem Gemahl eine gehorsame Gattin. Aber sie war leider auch eitel. Für ihren Hang zu schönen, kostbaren Kleidern war sie in der ganzen Familie und bei den Bewohnern rund um das gediegene Steinhaus in der Mühlengasse bekannt.
    »Sehr praktisch, Frau Barbara!«, lobte Almut, als sie oben auf dem Treppenabsatz angekommen war.
    »Ach nein, eigentlich nicht. Es macht eine wunderbare Figur, aber bei nassen Straßen ist es doch ein bisschen lästig!«
    »Ich finde es dennoch sehr praktisch. Ihr spart bestimmt die Kosten einer Magd ein mit dieser Anschaffung. Die Treppen habt Ihr gleich im Hochgehen aufgewischt!«
    Frau Barbara beäugte misstrauisch die Schleppe, die jedoch makellos sauber war. Die Magd hatte die Treppe am Morgen geputzt.
    »Spottdrossel!«, mahnte sie Almut sanft.
    »Wollt Ihr damit behaupten, Ihr habt dieses Gewand nur deshalb nähen lassen, weil es Euch ziert? Ach: ›Es ist alles eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz
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