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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals
Autoren: Alexander Nemirowski
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ausschließlich innerhalb der eigenen vier Wände unterrichten. Zwar brachten sie ihnen alles bei, was ein Großgrundbesitzer, ein Kaufmann und Schiffskapitän wissen muß, aber von der körperlichen Arbeit hielten sie sie fern. Jede Anstrengung wurde ihnen von den Sklaven abgenommen. Auch später, wenn sie ihren Heeresdienst ableisteten, führten sie ein anderes Leben als die einfachen Krieger. Sie ließen sich von ihren Sklaven den Schild tragen, bei der Rast die Füße waschen und den Schweiß von der Stirn wischen. Das ist einer der Gründe, daß wir so viele Niederlagen erlitten und daß die Römer uns besiegen konnten. Ich hörte, daß die römischen Feldherren bei Disziplinverletzungen nicht einmal vor der Hinrichtung ihrer eigenen Söhne zurückschreckten. So würde es auch euch ergehen. Habt ihr das begriffen?" 
    „Ja, Vater", antwortete Hannibal im Namen aller. 
     
     
Ein geheimer Auftrag
     
    Bis spät in die Nacht hinein schritt Hamilkar von einer Ecke seines Zeltes in die andere. Wenn der kalte Bergwind durch den Zeltschlitz fuhr und die Flammen der Öllampen zuckten, glitten gespenstische Schatten über die grauen Zeltwände.
    Am Tage zuvor war ein Handelsschiff aus Karthago eingetroffen und hatte schlechte Nachrichten gebracht. Immer wieder beugte sich der Feldherr über die auf dem Teppich liegende Bronzeplatte, in der die Meeresufer und Flüsse sowie die Grenzen der karthagischen und römischen Gebiete eingeritzt waren, und fuhr kopfschüttelnd mit dem Finger über die Linien.
    Als sich Hannibal am nächsten Morgen wie gewöhnlich beim Vater einstellte, war dessen zerfurchtes, dunkles Gesicht ruhig wie immer. Nur aus den müden Augen sprach die Sorge.
    „Setz dich, mein Sohn. Heute will ich dir einen Auftrag erteilen." „Welchen, Vater?" rief Hannibal ungeduldig.
    „Wir werden uns für lange Zeit trennen müssen. Du sollst Elefanten holen."
    „Wo? In Indien?"
    „Nein, an dieses ferne Wunderland wollen wir einstweilen nicht denken", lächelte Hamilkar. „Wir haben jetzt nahe bei Karthago ein eigenes kleines Indien, in dem Richad König ist. Erinnerst du dich noch an den Treiber, der die zwölf Elefanten durch Karthago führte?" Er wies auf die Bronzeplatte. „Sieh her. Da liegt Karthago, an einem tiefen Meeresbusen. Das, was wie eine Schlange aussieht, ist der Fluß Bagradas. Östlich davon liegt das Land der Numidier, der besten Reiter, die die Erde je getragen hat. Siehst du den kleinen Kreis an der Grenze zwischen dem Land des numidischen Königs Gula und dem Gebiet der Mauren? Das ist ein See. An seinen Ufern fangen unsere Leute Elefanten und zähmen sie mit Richads Hilfe."
    „Weshalb sagst du denn, daß wir uns für lange Zeit trennen müssen? Auf dem Seewege sind es bis zur karthagischen Hafenstadt Utica doch nur fünf Tagereisen." Hamilkar sah seinen Sohn prüfend an.
    „Ich will dir einen zweiten Auftrag geben, von dem aber nur wir beide wissen dürfen." Er dämpfte die Stimme. „Westlich von Gulas Gebiet liegt das Land eines anderen numidischen Stammes, der von König Syphax regiert wird. Gula und Syphax sind Feinde, weil jeder die Macht über ganz Numidien erringen will. Gula ist seit jeher unser Verbündeter, Syphax hält es mit den Römern. Gestern erfuhr ich, daß wieder ein römischer Gesandter, nämlich der Patrizier Scipio mit seinem Gefolge, in Syphax' Hauptstadt Cirta eingetroffen ist. Zweifellos führen die Römer etwas gegen uns im Schilde. Wir müssen auf der Hut sein. Solange Gula noch lebt, haben wir nichts zu befürchten, denn er wird Syphax an jedem Angriff auf Karthago hindern. Doch Gula ist alt, Syphax dagegen jung und tatendurstig. Wenn Gula stirbt, wird sein Nachfolger vor der Wahl stehen, mit uns oder mit Syphax und den Römern ein Bündnis abzuschließen." 
    „Und wer wird Gulas Nachfolger?"
    „Nach numidischem Brauch nicht sein Sohn, sondern sein Bruder. Aber Gulas Bruder, der seinerzeit mit deiner Schwester Salambo Hochzeit machte, heiratete nach ihrem Tode eine Tochter des Syphax und wurde dadurch unser Feind. Deshalb beabsichtigt Gula, die Herrschaft seinem Sohn Masinissa zu übergeben." 
    „Wie alt ist Masinissa?"
    „Ich glaube, zwei oder drei Jahre jünger als du. Jetzt ist er also gerade in dem Alter, wo sich ein Mensch leicht wie Ton formen läßt. Aber denke daran: Alle Numidier sind verschlossen und haben ein leicht verwundbares Ehrgefühl. Mit diesen Schwächen muß man rechnen. Sie pflegen immer ihr Wort zu halten und ertragen es nicht,
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